die meisten gedichte sind lediglich gedicht-entwürfe; versuche des autors hin auf das gelungene gedicht, das er im verborgenen ahnt. jenem gedicht bemüht er sich mit jedem einzelnen entwurf in inhalt und lautbild anzunähern, mal ist es länger, mal kürzer, mal streng, mal offen, mal handelt es von einem baum, mal von einer frau, mal von einem gedanken. vielleicht ist dieses gedicht auch gar nicht so statisch, wartet gar nicht im halbdunkel darauf gefunden zu werden, sondern verändert sich entsprechend der befindlichkeiten und lebens-umstände des autors, streunt im dämmer umher, so dass er suchen und versuchen kann, so viel er will, sein leben lang – ihm werden allen- und bestenfalls ein paar entwürfe gelingen, die besser überzeugen als die meisten anderern, die er über die jahre angefertigt hat. man wirft lebenslang ein netz ins finstere und zieht es zumeist leer wieder ein. wie ein einzelner fischer, der tag für tag hinausfährt und nichts oder kaum etwas fängt, weil die see hoffnungslos überfischt ist. möglicherweise ist die welt insofern über-textet und es käme darauf an, sich selbst zu mäßigen, abzuwarten und lediglich die guten fänge zu markte zu tragen (be patient with your live), andererseits bleiben fische genau wie gedicht-entwürfe nur kurze zeit frisch. ein lyrikband ist kein abgeschlossenes werk, sondern eher eine art brief, ein verständigungsmittel mit dem leser, das von einer impliziten frage getragen wird: was hältst du davon? lyrik kann man als einen versuch verstehen, die welt zu begreifen – der im dialog sozusagen prozesshaft und asymptotisch stattfindet. eine physikalische formel erscheint mir weniger als ein gegenstück zu einem gedicht, sondern vielmehr als eine andere form, die mit anderen zeichen arbeitet: e=mc², die erkenntnis also, dass masse und energie gleich sind, äquivalent, wie der phyiker wohl sagt, ist meines erachtens vor allem andern ein romantischer gedanke. die form, in welcher er ausgedrückt ist, besticht gleichermaßen durch kühnheit, eleganz und prägnanz – was will ein gedicht mehr, ein gelungener gedicht-entwurf?

ich kann bis heute mit keinem menschen ein ernsthaftes gespräch über die probleme führen, die mit meiner beschäftigung verbunden sind: was ist ein gedicht, sollte diese zeile anders klingen, kann man diese figur ernstnehmen, lässt sich diese argumentation nachvollziehen? von existentiellen problemen (des geworfen-seins in die welt) – im wahrsten sinne des wortes: ganz zu schweigen. insofern muss ich geradezu alles, was ich tue als probe, als versuch, als so tun als ob, nicht ernstgemeint und voll-gültig wahrnehmen. wo immer ansätze zu solchen gesprächen erscheinen, bin ich elektrisiert und ganz begeistert, aber sie bleiben stecken und verlieren sich, versanden im nirgendwo einer kahlen, dürren ebene. wenn ich doch nur einmal ein gespräch über lyrik, über prosa, über essays führen könnte, ein ernsthaftes über den schreibprozess und einzelne fragen der konkreten gestaltung.

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