walter kempowski, dem man gelegentlich seine konservative haltung vorwirft, spricht in seinem tagebuch von den alteingesessenen abendländern einmal als „den weißen negern europas“. – bei anderswem werden solche formulierungen hervorgehoben und eifrig weiterzitiert, etwa: „allen negern, auch den weißen“.
eine studienstiftlerin schrieb und ich musste an r. h.s vergleich zu ingeborg bachmann denken. die erwartungen, die erwartungen. wenn einem einerseits die ernsthafte möglichkeit einer akademischen karriere zugeschrieben wird, man aber andererseits aus dem akademischen umfeld, das einen umgibt, keine derartige bestätigung bekommt („sie schreiben …nunja: zu feuilletonistisch …“), hilft einem auch nicht die aufforderung, man solle doch nicht so selbstkritisch sein. wie beim lieben oder glauben gibt es auch beim zweifeln (und dessen verneinung) keinen imperativ. heinrich, zweifle nicht!
mir fiel das gedicht der bachmann ein, in dem sie die wendung aus dem wintermärchen aufnimmt, aber wenn man’s überliest, ist man genötigt, das ganze gedicht zu zitieren. :
böhmen liegt am meer
sind hierorts häuser grün, tret ich noch in ein haus.
sind hier die brücken heil, geh ich auf gutem grund.
ist liebesmüh in alle zeit verloren, verlier ich sie hier gern.
bin ich’s nicht, ist es einer, der ist so gut wie ich.
grenzt hier ein wort an mich, so laß ich’s grenzen.
liegt böhmen am meer, glaub ich den meeren wieder.
und glaub ich noch ans meer, so hoffe ich auf land.
bin ich’s, so ist’s ein jeder, der ist soviel wie ich.
ich will nichts mehr für mich. ich will zugrunde gehn.
zugrund – das heißt zum meer, dort find ich böhmen wieder.
zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.
von grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.
kommt her, ihr böhmen alle, seefahrer, hafenhuren und schiffe
unverankert. wollt ihr nicht böhmisch ein, illyrer, veroneser,
und venezianer alle. spielt die komödien, die lachen machen.
und die zum weinen sind. und irrt euch hundertmal,
wie ich mich irrte und proben nie bestand,
doch hab ich sie bestanden, ein um das andre mal.
wie böhmen sie bestand und eines schönen tags
ans meer begnadigt wurde und jetzt am wasser liegt.
ich grenz noch an ein wort und an ein andres land,
ich grenz, wie wenig auch, an alles immer mehr,
ein böhme, ein vagant, der nichts hat, den nichts hält,
begabt nur noch, vom meer, das strittig ist, land meiner wahl zu sehen.
(in: ingeborg bachmann, werke. erster band: gedichte, hörspiele, libretti, übersetzungen, hrsg. von christine koschel/inge von weidenbaum/clemens münster, 3. aufl., münchen/zürich 1984, s. 167f.)