geträumt: ich habe mich freiwillig zur armee gemeldet, wider erwarten bereitet mir die grundausbildung viel freude und befriedigung, sie bringt ständig kleine herausforderungen, die ich zu bewältigen imstande bin. das verbessert mein verhältnis zu mir selbst ungemein, ich fühle mich in der hierarchisierten, überschaubaren organisation wohl; jeder hat seine aufgabe, die er erfüllen muss, aber da sie im einzelnen überschaubar sind und zugleich eingebettet in einen durchdachten gesamtablauf, kann ich mich geradezu unbeschwert ins zeug legen. keiner muss die welt alleine retten, von niemandem wird eine heldentat erwartet, auch nicht von mir. diese erkenntnis ist auf geradezu überwältigende weise erleichternd und befreiend. gleich zu beginn erhalten wir jeder einen trainingsanzug, in welchem wir die gesamte grundausbildung absolvieren. ich fühle mich in dem anzug, wider erwarten, wohl und habe keineswegs das gefühl, damit irgendetwas von meiner identität aufzugeben, indem ich auf äußere zeichen der unterscheidung verzichte. ganz im gegenteil habe ich den eindruck, dass mir von innen her eine festigung und kräftigung meiner identität zuströmt, die nach außen strahlt, so dass ich mich in dem uniformen trainingsanzug wohler fühle als ich es je im feinsten zwirn getan hatte. immer drängen sich einzelne junge männer mit blonden, lockigen haaren in den vordergrund, die natürlicherweise zur führung einer einheit bestimmt zu sein scheinen und sich auch dafür halten. auch wenn ich selber keineswegs eine einheit führen möchte, widerspreche ich einem nach dem anderen von ihnen und demontiere so durch meine eigenwilligkeit ihre aufkeimende autorität. zuletzt soll mir eben aufgrund dieser meiner eigenschaft, zu der auch mut und eine ausgeprägte fähigkeit zum mitdenken gehören würde (was mir auf mich selbst bezogen völlig neu ist), eine laufbahn als offizier und die aussicht auf ein eigenes kommando eröffnet werden. ich fühle mich geschmeichelt und ich habe inzwischen soviel selbstwirksamkeit erfahren, dass ich mir die lösung des problems zutraue, das dieser laufbahn im wege steht. im geheimen nehme ich kontakt zu einer truppenpsychologin auf und erzähle ihr von meiner abneigung, verantwortung zu übernehmen, weil mich die möglichen konsequenzen einer entscheidung derart belasten, dass ich nichts mehr zu tun imstande bin – was, wie sie mir zugeben müsse, im feldeinsatz ohne zweifel verheerend wäre. ich erwarte mir von dem gespräch mit ihr einen ausweg aus der sackgasse, in die mich das bedenken der konsequenzen immer aufs neue führen. ich bin guter dinge und wache guter dinge aus dem traum auf. – später bekomme ich eine kurze mail von m. s., in der sie sich etwas ruppig, aber nicht unfreundlich nach meiner bereitschaft erkundigt, einen beitrag für ihren sammelband über die geschichte des erzgebirges im 16. jahrhundert zu schreiben. ich bin vom letzten traum her noch so ermuntert und ermutigt, dass ich mir vornehme, ihr unverzüglich zu antworten und ihr ein genaues thema vorzuschlagen, damit ich sofort mit der arbeit am beitrag beginnen kann. ich lege mir die einzelnen arbeitsschritte zurecht, um den beitrag rechtzeitig fertigstellen zu können – und ich bin in der tiefe meines davon überzeugt, dass ich diese schritte befolgen und den beitrag anfertigen kann, so überzeugt wie ich noch nie zuvor oder wenigstens wie ich schon sehr lange nicht mehr überzeugt war.

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geträumt: ich scheine auf der flucht zu sein, zumindest fühle ich mich durch irgendetwas, das mir offenbar auf den fersen ist, zu einem verhalten gedrängt, das ich für gewöhnlich nicht an den tag lege: mitten auf der siebenbürgergasse ist ein großer tisch aufgebaut, ich springe darauf und laufe darüber hinweg, als sei es ein lauf- oder bootssteg. links und rechts stehen händler und bieten ihre ware feil, allesamt alte comics mit teils hohem sammlerwert. mein auge fällt auf eine reihe von mosaik-heften aus den frühen neunziger jahren, ich erinnere mich, dass mir einige exemplare aus dem sommer 1990 fehlen und ich suche den stapel durch, kann mich aber nicht mehr erinnern, welche ausgaben mir genau fehlen. unter dem tisch liegen in der straße alte tramgleise verlegt, die schon lange nicht mehr benutzt werden. mir fällt ein, dass es vor zeiten eine kurze linie gab, die vom bahnhof über den steilen franzberg bis hier hinauf führte, nicht mehr als einige hundert meter insgesamt. ich rätsele noch, wie die tram seinerzeit die enorme steigung überwinden konnte. vielleicht, überlege ich, war es eine zugseilbahn wie in heidelberg, aber ich kann mir die führung des ziehenden stahlseils nur schwer vorstellen, zumal eine neunzig-grad-kurve gemeistert werden müsste. womöglich war es auch eine zahnradbahn, fällt mir ein und wie mir das einfällt, scheint es mir plausibel zu sein, so dass ich nicht länger gezwungen bin, über das problem nachzudenken: es verschwindet. statt dessen entfaltet sich vor meinen augen eine art kino-film, eine eigenartige comic-verfilmung mit den drei kobolden aus dem mosaik, es sind keine zeichnungen, wie man sie aus üblichen trickfilmen kennt, vielmehr werden alle möglichen genres der illustration von höhlenmalereien über mittelalterliche buchillustrationen bis hin zu technischen zeichnungen aus dem industriezeitalter in einer ungemein fesselnden collage verwendet. die drei abrafaxe sind mit einem kleinen boot in einen sturm auf hoher see geraten; im wilden wellengang kann man in der ferne ein größeres segelschiff erkennen. das boot droht ständig zu kentern, schließlich tut es das auch und die drei gleiten zum meeresgrund. die wellen werden in einer mischung aus japanischem holzschnitt und europäischer illustration des neunzehnten jahrhunderts gezeichnet; ein überwältigendes blau und eine extrem künstlich erscheinende zeichenführung machen mich staunen. kaum sind die abrafaxe auf den meeresgrund gesunken, und ich denke schon: das ist das ende, regt sich in der wütenden see neptun, der halb und halb das meer selber ist, und packt die drei behutsam an ihren wämsen, zieht sie aus dem wasser mit abgespreizten fingern, wie lebe-damen in berliner bars ihre cocktails trinken, und schleudert sie in die luft, wo sie in einem hohen bogen auf ein felsiges eiland fliegen ohne anscheinend schaden zu nehmen. neptun sagt dazu: „jetzt noch nicht …“, als er sie aus dem wasser zieht. ich bin ungemein beeindruckt und auch ein wenig neidisch auf den film, dessen darstellungsweise mich schier überwältigt. nachdem der sturm vorüber ist, am andern morgen, ankert das segelschiff vor der insel. die drei abrafaxe werden von der mannschaft geweckt, die gerade an land geht. aus dem beiboot steigt eine erzgebirgische bergmannskapelle, richtet sich am strand und fängt an, das steigerlied zu spielen. zu diesen klängen steigt der schiffskapitän aus dem boot und betritt die insel. später ist klar geworden, dass es james cook ist. er erklärt, er leite die erste sächsisch-polnische weltumseglung. (ich stelle mir vor, wie das schiff in danzig aufgebrochen und mühsam-heimlich durch die meerenge beim hamletschloss helsingör geschlüpft ist.) – – in der ersten englischstunde nach den sommerferien üben wir zunächst den vortrag eines lesetextes, indem wir ihn gemeinsam mit den lehrern laut lesen; eine ältere, blonde frau und ein junger mann mit dunklen haaren, der einen dreitagebart trägt, was verwegen erscheinen soll, aber nur gewollt und damit unfreiwillig komisch wirkt. ich halte den neuen referendar für einen wichtigtuer, den man nicht weiter ernst nehmen muss. nach dem gemeinsamen vortrag sollen wir einzeln satzweise laut lesen. was mir im chor eben noch mühelos gelang, bereitet mir nun größte schwierigkeiten, wie ein schulanfänger muss ich die buchstaben zusammenfügen und nur wort für wort komme ich voran. mehrere endungen mit „-ian“ kann ich gerade noch entziffern. plötzlich verwandeln sich die worte zum ende des satzes hin in bilder, von denen ich noch zwei entschlüsseln kann, ohne dass meine völlige überforderung offenkundig wird. das dritte zeichen kenne ich zwar, mir fällt aber seine bedeutung nicht ein, sodass ich verstumme. der dreitagebartreferendar scheint meine niederlage zu genießen, er lächelt süffisant, sagt aber kein wort dazu, sondern fordert mit einer geste jemanden anderes auf, den satz zu beenden. das höre ich schon gar nicht mehr, später fällt mir wenigstens ein, was es darstellt: john travolta im smoking.

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geträumt: zwei königskinder von einem fremden stern verstecken sich auf der erde. sie geben sich als reiche (menschen-) waisenkinder aus, ihr (menschlicher) butler ist in wirklichkeit ihr leibwächter, der auch von jenem fremden stern stammt. sie hegen keine bösen absichten, sie sind nur ein wenig auf der flucht. die erde und die menschen mit ihrer brennend-bohrenden frage: ist dort draußen noch jemand? kümmern sie nicht weiter – wie einen emigranten und exulanten, der immer auf der hut vor den häschern aus seiner heimat ist, die geschäfte in dem land nicht weiter kümmern, in dem er sich versteck- und fluchthalber aufhält. wie in einer art interaktivem film spiele ich den sternenprinzen und gehe fast ganz in der fiktion des filmes auf, in diesem versteckspiel auf der erde, aber ich weiß zugleich, dass ich nicht der prinz bin, sondern ihn nur verkörpere – eine mehrfach gebrochene geschichte, ein postmoderner traum. – u. und ich besichtigen eine benachbarte wohnung, die aus zwei größeren und einem winzigen zimmer besteht. drei junge männer leben dort, studenten, einer wohnt in der winzig kleinen kammer. wir erzählen ihnen, wie wir unsere wohnung bezogen, wir seien damals ein pärchen gewesen, hätten uns aber kurz darauf getrennt. wie abgesprochen tun wir so, als küssten wir uns, um die frühere beziehung zu illustrieren. wir halten aber eine hand zwischen unsre münder, so dass wir eigenlich nur jeweils die hand küssen; unklar ist mir dabei, um wessen hand es sich handelt: meine oder ihre.

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„(…) und überall sind es die teenager und die zwanzigjährigen, die den von der nachkriegsgeneration in leichtfertiger manier angehäuften schuldenberg abtragen werden. schon jetzt nennt man sie die lost generation, die verlorene generation.“1 – an diesem zweifelsohne berechtigten befund verstört vielleicht am meisten der umstand, dass es sich gerade um jene generation handelt, die nach dem ende der blockkonfrontation in eine schöne neue welt geboren wurde, in der alles möglich schien – fortschritt, wohlstand, frieden, eine welt-zivilgesellschaft, die auf einem breiten, selbstbewusst-bescheidenen mittelstand ruht. alles schien möglich – außer dieser traurigen, trostlosen perspektive.

wenn man diesen aspekt in den blick nimmt, muss man – zwingend – zu dem schluss kommen, dass wir noch lange nicht mit der ddr und dem ostblock fertig geworden sind und dass alle erzählungen über die überlegenheit des westens, the end of history 1989 und the final victory of democrazy, die gegenwärtig im schwang sind, nicht zureichen, ergänzt, ja neu und anders erzählt werden müssen. soviel zu hans-ulrich wehlers diktum von der ddr als fußnote der deutschen geschichte. der wettbewerb der systeme hat sich viel tiefgreifender in der entwicklung des westens niedergeschlagen als es seine proklamatoren und promotoren wahrhaben wollen. dabei habe ich keine ehrenrettung des sozialismus im sinn, sondern lediglich eine ernüchterung im blick auf die eigene gegenwart und die ambivalenz ihrer vergangenheit. immer wieder komme ich zurück auf johan huizingas beschreibung der geschichte als je eigener versuch einer bestimmten gegenwart, über sich selbst rechenschaft abzulegen. das wort sic transit gloria mundi lässt sich folglich auch so deuten, dass der ruhm immer mehr abnimmt und sich zuletzt ganz auflöst, je länger man über die umstände nachdenkt, die ihn – angeblich – einst hervorbrachten.

1 wolfgang koydl, britannien zerbricht, in: sz vom 10.08.11, s. 4.

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geträumt: eine versammlung junger leute, möbel und raum wirken wie ein großer speisesaal einer ddr-werks- oder behördenkantine. viele junge leute sitzen auf den abgewetzten, kunstlederbezogenen stühlen, aus denen an den kanten der sitzflächen und rückenlehnen die schwefelgelbe schaumstoffbepolsterung quillt. alle scheinen auf ein ereignis zu warten. eine junge frau wird gefragt, ob sie mit ihm gehen will. offenbar ist allen klar, wer damit gemeint ist. sie hat ein fröhliches wesen, sie ist sehr dünn, sie trägt ein schwarzes t-shirt und schwarze, enganliegende hosen. sie scheint von der frage überrascht zu sein, wird rot und verbirgt ihr gesicht in den händen, während sie aufsteht und erleichtert ja sagt. (vielleicht hat sie die geste einer zweitklassigen amerikanischen jugend-fernsehserie abgeschaut). jubel und applaus brechen aus. ein junger mann, lange schwarze haare, ebenso dünn wie sie und ebenso schwarz und enganliegend gekleidet, geht auf sie zu, beide umarmen sich. ich weiß nicht, ob ich am rand stehe und die szenerie beobachte oder aus einer art kameraauge heraus. ich wundere mich jedenfalls über den merkwürdigen umstand, dass sich zuletzt doch immer die passenden pärchen finden. auch wenn die beiden in ihrer dünnheit und schwarzen bekleidung nicht ganz normal wirken, liegt eine unerschütterliche gewissheit in der luft, nicht nur dass sie sich zutiefst mögen und schätzen, sondern auch dass sie gemeinsam ihr leben verbringen werden, zwar unspektakulär in jede hinsicht, aber ohne verletzungen zu erleiden und zu verüben – und das ist gemessen einmal an ihrer außergewöhnlichen dünnheit und schwarzen kleidung und einmal an den gewöhnlichen verläufen von liebesverhältnissen schon wieder überaus spektakulär.

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geträumt: u. j. und s. k. sitzen sich an zwei schreibtischen im flur des instituts gegenüber und arbeiten an ihren computern. – ich betrete das büro, wo alle regale umgerückt worden sind, so dass man eigentlich keine der drei türen ins zimmer mehr benutzen kann. ein handwerker, den ich offenbar kenne, ist damit beschäftigt, die wände zu weißen. im ersten moment lobe ich ihn dafür: schön, dass er es geschafft habe, die wände doch noch zu streichen. dann eröffnet er mir plötzlich, dass ich die regale allein wieder zurechtrücken müsse. ich sehe mich angesichts der größe der möbelstücke und der fülle an büchern und akten darin außerstande, die aufgabe zu bewältigen und erhebe daher lautstark einspruch. aber wie ich zu lamentieren und wehklagen beginne, ist der handwerker schon verschwunden und ich bleibe in dem chaotischen zimmer allein zurück. – ich erinnere mich an weitere bilder, mit denen ich angenehmere stimmungen und eine aufmunternde, bestärkende wirkung auf mein gemüt verbinde, aber mehr als eine schwer fassbare empfindung ist mir nicht im gedächtnis geblieben. – – der traum scheint meine sorge zu imaginieren, den anforderungen nicht gewachsen zu sein, denen ich mich gegenübergestellt sehe und die auf mein eigenes betreiben zurückgehen. insofern ist der traum plausibel und naheliegend.

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in der leipziger volkszeitung erschien ein so genanntes „fragebogen-porträt“ r.s.1 – da ich nie in die situation kommen werde, so einen fragebogen zu beantworten, unternehme ich es auf eigene faust:

was mögen sie an sich selbst? – ich zu sein. – was ist ihre größte schwäche? – ich zu sein. – welche person aus ihrer umgebung hätte einen orden verdient? – diejenigen, die die scherben meiner universitätsjubiläumsprojekte weggeräumt haben ohne mir gram zu sein. – was möchten sie in ihrem leben erreichen? – kundigkeit und souveränität. – auf welche leistung sind sie besonders stolz? – fragen sie nochmal, wenn ich siebzig geworden bin. – wo erholen sie sich in ihrer region? – beim werkeln in haus und garten, beim aufräumen in büro und bibliothek, beim sinnieren. – welche persönlichkeit der geschichte beeindruckt sie am meisten? – auch wenn es für leipziger ohren nach gefälliger schmeichelei klingt: bach. – wie heißt ihre lieblingskneipe? – ich gehe ungern in kneipen, aber wenn es unbedingt notwendig ist, beschwere ich mich über kaum eine. – welches buch hat sie am meisten gefesselt? – thomas manns unbekanntes hauptwerk über joseph und seine brüder. – ihr lieblingsfilm? – sie mögen überrascht sein: der sechste teil der star-trek-reihe, das unentdeckte land, weil er mit den begrenzten mitteln des populären science-fiction-films gekonnt den zusammenbruch der sowjetunion reflektiert. – welches projekt halten sie in leipzig für das dringlichste? – die überwindung der diktaturen des letzten jahrhunderts, die endgültige ankunft im westen. – welche musik hören sie gern? – kammermusik aus dem barock. – was wollten sie als kind werden? – landwirt, dichter, archäologe. – welche drei dinge würden sie auf eine einsame insel mitnehmen? – papier und stift. und ein boot. – sie können im stadtrat eine rede halten – worüber würden sie sprechen? – über das projekt, das ich in leipzig für das dringlichste halte. – was halten sie von fragebögen? – die kurzweiligen antworten, zu denen man hingerissen ist, verdecken meistens mehr als sie verraten.

1 lvz vom 23.06.11, s. 23.

 

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die büchereinordnerin mit den lockigen schwarzen haaren wieder. (…) beim sichten der bücher murmelte sie ärgerlich vor sich hin. sie schob ihr bücherwägelchen aus meinem blickfeld und verschwand. aber erinnerungen, imaginationen, gedanken spukten weiterhin in meinem kopf herum. ich ging in den magazinkern, als wollte ich etwas nachschlagen. dort hatte ich sie zum ersten mal gesehen, getroffen, gesprochen. aber was heißt schon gesehen, getroffen, gesprochen. eine zufällige begegnung, ein lächeln, drei worte. verwaist stand ein bücherwägelchen herum. ich suchte ein buch heraus und las darin, wie man sich ein buch heraussucht und darin mit interesse liest, wenn man sich zu diesem interesse nötigt; nicht geheuchelt, aber auch nicht mit der leidenschaft, die für sternenfahrten erforderlich ist. die schwere eisentür öffnete sich, die den vorhof für die benutzer von den papierparadiesen dahinter trennt, und heraus trat – sie mit ihren lockigen schwarzen haaren. sie lächelte und ich lächelte, zurück. aber nicht zu sehr, um nicht zu sehr aufzufallen. ein leiser gruß, als ich die bühne verließ, so als hätte ich gefunden, was ich gesucht hatte und sei nur aufmerksam, umsichtig, bedacht: ist doch ein netter mensch … ein weiteres lächeln, ein leiser gruß zurück. da ging mir auf: dieses freundliche wesen war es, das meine gedanken in eine schleife zwang. tatsächlich hatte ich gefunden, was ich suchte. wider erwarten und jenseits der bücher. immer ist es das freundliche wesen, das freundliche wesen hinter dem antlitz und hinter den augen.

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onkel joachim erklärt uns, wie unvernünftig der atomausstieg ist – und wie teuer er uns am ende noch zu stehen kommen wird. das empörende am weltweisen, souveränen und abgeklärten gestus, mit dem die leute von der frankfurter allgemeinen zeitung kommentieren und die welt erklären, sind die vielen versteckten ideologischen prämissen,1 die diesen gestus beeinflussen, ja so eigentlich erst formen. es ist wie bei den christdemokraten: man braucht erst eine weile, bis man erkennt, dass die ernsthaftigkeit, souveränität, pragmatik, vernunft, … mit der sie auftreten und von der sie immerfort reden, nur scheinbar ist. man kann genauso ernsthaft, souverän, pragmatisch, vernünftig, … sein und die gegensätzliche meinung haben.2

1 man kann auch von abhängigen vorannahmen sprechen, wenn man mehr differenzieren möchte und weniger in gleicher weise auf polemischen rabau aus ist … denn welches christdemokratische urgestein, sozusagen von echtem schrot und korn, hört schon gern, es sei  und rede ideologisch. und wenn der vorwurf erst noch von einem akademiker aus den geisteswissenschaften kommt, ist alles klar: ein linker, zumindest; geisteswissenschaft – das riecht schon nach marxismus … klare sache und damit ex und hopp. — ach, deutschland, ach sachsen.

2 joachim jahn: jetzt wird’s teuer. die kosten der energiewende, dlf vom 18.06.11 (vgl. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/themenderwoche/1484964/, letzter zugriff: 18.06.11).

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geträumt: ein kamerateam ist unterwegs in einer dicht gedrängten fussgängerzone. aus der menschenmenge heraus drängt sich willy brandt vor die kamera und fordert eindringlich: „unternehmen sie doch endlich etwas!“. er sieht im gesicht seltsam geglättet und gestrafft aus, als sei er in der parteizentrale tiefgekühlt zwischengelagert, vor kurzem wieder reanimiert und dabei geliftet worden, damit er besser vorzeigbar sei. das wäre dann vermutlich die allerletzte hoffnung der deutschen sozialdemokratie: die reaktivierung der alten genossen. – allerdings habe ich vergessen, in welcher angelegenheit er so nachdrücklich engagement forderte – die adressaten, an die er sich durch die kamera in erster linie wandte, waren offenbar die freunde in parteiführung um siegmar, andrea und frank-walter. es ging weder um hartz vier noch um den euro, das weiß ich genau; ich erinnere mich dunkel, es sei etwas integrationskritisches à la sarrazin gewesen sein: wir müssen mehr demografie wagen …

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