am späten nachmittag traf ich s. in ihrer neuen wohnung. sehr gefällig mit ihrem großen und ihrem kleinen raum, der aussicht und der eleganz von treppenhaus und türen. darin könnte ich auch wohnen – wenngleich mir die miete in anbetracht meiner einkommenssituation zu hoch erschien. und dann überlegte ich mir, ich würde dort wohnen und als „freier autor“ arbeiten – und mich überfiel eine tiefe melancholie: ein leben, wie ich es mir vorstelle und doch so kümmerlich in den realien … vor der tür lehnten wir unsere stirnen aneinander und umarmten uns, ich fühlte mich bei aller traurigkeit und melancholie, die ich wohl nicht mehr loswerden kann, geborgen und bestätigt.

sie eröffnet mir neuen handlungsspielraum, zumindest erweckt sie die illusion – mehr ist es wohl nicht.

abends besuchte ich g. s., wir sprachen wieder einmal über bildung, gesellschaft und medienverantwortung – und sie meinte, ich sollte in die medien gehen. – ich will mal was mit medchen machen …, sozusagen. ich sprach über meine überlegungen zur mitteldeutschen und erzgebirgischen gesellschaft, ihre bilanz des 20. jahrhunderts und ihre mitteleuropa-eigenschaft. ich sitze in meiner wehrmachtsbaracke, blicke zum fenster hinaus und sehe ins böhmische, sehe mitteleuropa, sagte ich in anlehnung an stasiuk und zitierte ihn gleich noch einmal: der ort, an dem man lebt, verpflichtet. nebenbei erzählte ich noch meine begegnung mit martin walser auf dem leipziger hauptbahnhof und lobte seinen goethe-roman (m. sage das auch, sie sei eher skeptisch).

wie ich auf dem rückweg durch die straßen leipzigs fuhr, packte mich eine gewaltige melancholie, so eine art allgefühl, dass ich sogar den polizisten grüßte, der vor dem amerikanischen konsulat patroullierte. – ich erinnerte mich plötzlich an mein gespräch mit w. r. über afrikanische kunst. sie ist immer für eine überraschung gut; ich verspürte das bedürfnis, ihr einmal meine eindrücke zu vermitteln.

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