während ich mit dem rad durch den park in die beethovenstraße fuhr, erinnerte ich mich an den artikel über die rassismus-debatte, über den ich mich gestern schon erregt hatte: nicht begreifen kann ich es, wie man derart unreflektiert, ja geradezu plump die beste verfassung in der deutschen geschichte, die aus vielerlei harten und bitteren erfahrungen (scheitern der paulskirchenverfassung, weimarer verfassung, nationalsozialismus, kalter krieg) entstanden ist, die auf der welt ihresgleichen sucht, die beileibe nicht der weisheit letzter schluss ist, nicht sein kann, aber alles in allem einen gelungenen wurf darstellt (zumal wir nichts besseres haben und auf absehbare zeit auch nichts besseres bekommen werden), wie man eine solche verfassung mit einigen eilig dahingeschriebenen worten abzutun vermag. diese verfassung hat es doch nicht zuletzt ermöglicht, dass aus der recht autoriär angelegten adenauer-gesellschaft (die nun so miefig-spießig-bieder auch nicht war, stichwort: kluge, walser, grass …), die pluralistische, nachgerade bunte zivilgesellschaft entstehen konnte, die es vielleicht nicht in jedem obererzgebirgischen oder vorpommerschen dorf gibt, aber doch in weiten teilen des landes. ganz abgesehen von den potentialen, die in dieser verfassung stecken und die noch darauf warten, entfaltet zu werden (etwa: „eigentum verpflichtet“). man muss doch auch einmal sehen, woher man kommt und welche wegstrecke schon zurückgelegt worden ist, bevor man die gegenwärtigen zustände, die ich weiß gott, weiß gott! nicht über den grünen klee loben möchte, in bausch und bogen verdammt. erst sehen, ob man es wirklich besser machen kann, wirklich besser (wohlgemerkt: was heißt überhaupt besser?), besser machen kann, was die eigenen fähigkeiten anbetrifft wie auch die beharrungskräfte der strukturen langer dauer, ehe man zum vorschlaghammer greift, um alles kurz und klein zu schlagen! und das alles unter dem vorsatz, fremdenfeindliche, rassistische, geschlossene weltbilder und denkstrukturen aufzubrechen, den prozess der aufklärung voranzutreiben und die zivilgesellschaftlichen, wohlfahrtsstaatlichen errungenschaften im gefolge der atlantischen revolutionen gegen fundamentalismen aller art und einen immer zügelloser, immer wilder agierdenden globalen kapitalismus zu verteidigen. diese verfassung, die übel gescholtene „freiheitlich-demokratische grundordnung“ ist dabei kein bremsklotz und erst recht kein argument der reaktion (wenn man sich auf diese dialektik einmal einlassen möchte, wobei ich das auch für unsinn halte, gelinde gesagt: unsinn), sie ist vielmehr der beste alliierte, der zu haben ist, ja in gewisser weise ein trojanisches pferd in der wagen-burg, in der sich diejenigen verschanzt haben, die aus trägheit den eigenen verstand nur spärlich gebrauchen. es hilft keine plumpe polemik und es helfen keine verbote, die man aussprechen kann und sich gut fühlt, die aber das problem nur verschieben, statt zu lösen. es hilft nur beharrlichkeit, es hilft nur: schlauer sein – oder anders ausgedrückt: anmut sparet nicht noch mühe, leidenschaft nicht noch verstand …
wieviel muss man lernen, wie weit muss man denken, um sich nicht mehr von den anfechtungen des alltäglichen lebens kleinkriegen zu lassen. denn es gibt so viel zu tun und zu erkunden, während ich dasitze und mich beim leiden beobachte. ach, ach.