beendet grass: die box. – es scheint tatsächlich so zu sein, als schwirrten textideen durch den äther und suchten sich einen aufmerksamen lauscher, denn sowohl der einfall, ein dichter könne sich einen zeppelin, einen cargo-lifter, zulegen und damit standpunktlos vom wind getrieben über die erde fliegen, als auch der einfall, eine geschichte aus der kakophonie einer verwandten-zusammenkunft zu entwickeln, hatte sich auch in meinen ganglien festgesetzt. zu spät. aber vermutlich habe ich ohnehin sowohl den einen wie den andern einfall aus vergangener grass-lektüre gewonnen, was mir nur jetzt nicht so scheint. das ist die gleiche schiefe optik wie der vergleich von st. pauli zu leipzig mit den großen gotischen kathedralen europas, insofern habe ich mich in der stadt schon assimiliert … — er kann erzählen, unwillkürlich gerät man in den sog, auch wenn man gleich anfangs mürrisch wird und sich fragt: was will ich mit den schnurren aus der großfamilie grass? das eigene leben und schafffen gespiegelt und gefiltert in den erzählungen der kinder auszubreiten, scheint mir wenige möglichkeiten zum bedenken und räsonieren zu bieten. sein zwiebelbuch gefiel mir besser.

in einem elektronikmarkt stand ich vor einer vitrine voller digialkameras; ich hatte genügend geld dabei, um eine zu erwerben, aber ich fühlte mich so unter zwang, unverzüglich den kauf zu vollziehen, dass ich beinahe panisch den markt wieder verließ. der konsum geht mir nicht allein auf die nerven, ich frage mich, zu welchem ende diese lebensweise führen wird. die marktwirtschaft hat längst eine religiöse dimension angenommen mit tempeln und ritualen. ohne menschenopfer gibt es keine ernte, ohne konsum bricht die binnennachfrage zusammen, hunger und elend halten einzug. ich plädiere ja nicht gerade für den kommunismus, wahrscheinlich bin ich nur unbegründetermaßen kulturpessimistisch. früher wurde wenigstens noch klavier gespielt und in die oper gegangen … – man kann an den hölderlin-vers denken über das rettende in der gefahr, aber es schwant einem dennoch nichts gutes. consum-watching wäre das gebot der stunde: brauchst du das wirklich?

meine figuren sind erzgebirgler wie sie sein könnten, nicht erzgebirgler, wie sie es sind. menschen, wie sie sein könnten. sind sie unbedeutend, weil sie deshalb nicht realistisch sind? was heißt schon realistisch. verdichtet und zugespitzt wird das leben der gerlinde schaarschmidt erst lesbar, früher fdj-sekretärin, heute filialleiterin in einem diskounter, ihr mann wochentags auf montage in bayern, der sohn diplomingenieur bei einem lokalen autozulieferer, die tochter juristin in der landesverwaltung, ein enkel, benannt nach dem großvater, der im schlemaer uranbergbau seine lunge ruinierte … die ganze welt im erzgebirge darstellen: die welt in der provinz.

ein bericht über ein autobiographisches buch marten t’harts und ein gespräch mit dem autor. jeden tag viel schreiben. besonders beeindruckend, schon wegen der disziplin, aber vermutlich wird das ritual weitaus weniger streng gehandhabt, als man es sich vorstellt: nach jeder mahlzeit wird ein kapitel der bibel gelesen, so dass man den text in einem leben vielleicht zehn oder fünfzehn mal hört und zu differenzierte auslegung in der lage sei.

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