beim durchblättern des notizbuches: die karl-marx-univerisiät leipzig mit ihrem schwerpunkt globalisierungsforschung – von philosoph- bis zu biochemie. das dresdner karl-may-institut für kulturen der welt. möglichkeiten …

abends ein artikel im magazin der süddeutschen über einen neuen rechten. es stellt sich weniger der frage: bin ich ein nazi? sondern vielmehr: ist mein konzept von konservativismus nicht sehr konstruiert? bin ich nicht statt dessen vielmehr ein bernstein-jünger, ohne es mir eingestehen zu wollen? aber ich zweifele auch an der nachhaltigkeit von reformen. keine großentwürfe, auch nicht in kleinen schritten. neujustierung, anpassung, die bei der nächsten veränderung sofort obsolet wird, zumindest aber fraglich. ein sinn für das, was älter ist in uns als wir selber, womit nicht blut und boden, sondern mentalitäten und kulturelle muster gemeint sind, die man von kindesbeinen an verinnerlicht, nur schwer verändern kann für sich selbst und wohl überhaupt nicht bewusst in eine bestimmte richtung für die gruppe, der man angehört. mentalitätsdesign, sozusagen. ich weiß, dass die idee des melting pot problematisch ist, zusammenleben von menschen, die verschiedene lebensentwürfe und kulturelle muster im hintergrund haben, ist immer von konflikten geprägt. man kann sie eskalieren, man kann sie dämpfen, das ist vermutlich das einzige, was man dabei bewirken kann. der nationalstaat ist eine viel jüngere idee, vorstellungen von homogenisierung. der melting pot ist die uralte realität, das muss man vermeintlich ideologiefreien konservativen ins stammbuch schreiben. konservativismus heißt, in meiner lesart, sich um ideologiefreiheit zu bemühen, aber gleichzeitig den balken im eigenen auge einrechnen. ein echter konservativer weiß beispielsweise, dass die nation eine idee aus dem westeuropa des neunzehnten jahrhunderts ist – und wird keine kraft dafür aufwenden, dieser idee die realtität anzupassen.

es wird merklich kühler: vom fensterhalbrund zog es kühl an meinen nacken, während ich cibulkas „sanddornzeit“ beendete und hermann lenzens herbstlicht begann. im hals wurde es kratziger und ich hatte das gefühl, meinem kopf werde wärme entzogen. als säße ein dämon in meinem nacken, der die wärme aus meinem kopf löffelt oder mit den händen schöpft, wie man wasser aus einem brunnen schöpft.

bei cibulka merkt man deutlich die beschäftigung mit den großen diaristen der vergangenheit; die jüngers und erhart kästner sind im stil gegenwärtig. seine technologiekritische bezugnahme zu ökologischen themen, sozusagen ernst jünger ohne kämpfertum, und seine überlegungen zur landschaft machen ihn sympathisch. es erstaunt, dass ein solches buch in den siebziger jahren in der ddr erscheinen durfte. bedauerlich, dass es allem anschein nach keine biographische studie über cibulka gibt. – kluge, anregende gedanken; wenn man sie aufschreibt, bedeutet das nicht, dass man sie unterschreibt, kommentar ist immer. aber sie helfen weiter, führen weiter. schreiben ist lesen, das zum schreiben verführt, heißt es bei friederike mayröcker. und zugleich findet man eigene überlegungen und schwammige ahnungen präzise formuliert. das ernüchtert zuweilen, entmutigt manchmal, bestätigt jedoch gelegentlich auch und spendet zuversicht.

tagebuchblätter kennen keine fabel. in vielen schichten wird hier das leben empfunden und gedacht. jeder tag ist eine neue tür, man hält ausschau nach dem bruder, ist auf der suche nach dem eigenen ich. wie jedes andere literarische genre, so sind auch die tagebücher an die polarität des lebens gebunden. charaktere werden einbezogen, poesie und wissenschaft können sich begegnen, wahrnehmungen, überlegungen, verknotungen werden sichtbar. kurze hingesetzte aphorismem stehen gleichwertig neben einer ausführlichen literarischen schilderung. (…) auf jeder seite eine neue geologische schicht, getragen von demselben urgestein. (…) nur scheinbar werden die einzelnen aufzeichnungen durch das kalenderblatt getrennt. Die mitternacht ist keine zeitliche zäsur. beobachtungen wandeln sich des nachts, versinken, tauchen nach wochen wieder auf. tagebuchblätter folgen einem tieferen gesetz, sie deuten auf die doppelte ordnung in unserem leben hin. das tagebuch ist zustrom, zentrum, bekenntnis. nur dort, wo es bekennt, strahlt es aus, wird „fremdes dasein im eigenen“ aufgelöst. (hans cibulka, sanddornzeit, halle 1971, 77f.)

die heile, in sich geschlossene landschaft (…) ist für immer vorbei. unsere felder, wälder und gärten sind von geräuschen zerschnitten. viele landschaften sind leer geworden, sie haben ihren mittelpunkt verloren, die stille. was bedeutet uns heute noch landschaft? welchen sinn, welchen wert ordnen wir ihr zu? welche funktion räumen wir ihr ein? (…) landschaft ist auftrag, hinweis auf ein gemeinsames, auf ein stück dasein, das mit innerer stimme zu uns spricht, auf uns zukommt. sie blättert uns ihre eigene vergangenheit auf, wartet, damit wir uns in ihr begegenen. (…) jede poetische landschaftsschilderung gleicht einem unbeirrbaren gericht. an ihr wird ablesbar, in welcher richtung der künstler mit all seinem denken und sinnen tendiert. (ebd., 93f.)

wenn wir heute von der berufung der poesie sprechen, so heißt das für mich die welt erkennen, den menschen aufrichten, poesie als transmission. (ebd., 98)

im augenblick wohne ich allein; ich schlendere durch die zimmer und denke mir: was denn mehr, eine kleine wohnung voller bücher und ganz für sich sein. irgendwo, irgendwie wird sich schon ein wenig geld verdienen lassen, damit ich den rest der zeit mit dem lesendenkenschreiben verbringen kann. – was sich natürlich wiederum schwer mit dem wunsch nach der großfamilie und dem politischen, zivilgesellschaftlichen engagement verbinden lassen würde …

sprachen, in denen eine lesekompetenz zu erwerben wäre (!): altgriechisch, hebräisch, arabisch, türkisch, tschechisch, polnisch, russisch, chinesisch. – das reichte für ein leben, aber es wäre nur ein ausgangspunkt.

ich habe keine einfälle, ich habe nur erinnerungen, die manchmal ungenau werden.

lauter menschen, die dir überlegen sind … (lenz).

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