ein bild vor augen, kein traum, keine phantasie: eine untersetzte, kleinwüchsige frau, die einen schwarzen rock trägt, der normalgewachsenen frauen bis knapp unter die knie reicht, ihr aber bis zu den füßen, tippelt in trippelschritten über eine verwinkelte pflastersteinfläche, während sie mit ihren schultern schlackert. sie ist ganz schwarz gewandet, macht aber nicht den eindruck einer witwe, eher scheint es eine art tracht zu sein, flamenco-tänzerin. schwarzes haar. man sieht sie nur von hinten, wie sie mit ihren trippelschritten, die man jedoch nur unterstellen kann aufgrund ihres ruckeligen bewegungsablaufes, zu entkommen versucht – vor was auch immer. vielleicht vor unseren neugierigen, spöttischen blicken. seltsam.
im magazinkern eine hübsche frau in einer cordhose, der ich kurz zuvor die tür offen gehalten hatte. zwei flüchtige blicke. man seufzt auf und vertieft sich wieder in sein buch, weil das die einzige alternative ist. so gehen die begegnungen dahin. aus wie vielen kann man nichts machen? oder ist das nur eine illusion? aber was sollte ich denn sagen? – und: was wollte ich damit sagen?
ein telefonat mit dr. h. aha, ein geisteswissenschaftler sei ich, die zeichneten sich durch realitätsferne ideen aus, da habe er erfahrungen. er sei mathematiker und stehe den dingen nüchtern gegenüber. er wolle zwar kein engagement zügeln, da sei er der letzte, der …; nur sei immer wieder zu beobachten, dass sich weniges so entwickle, wie man’s anfangs unterstellt. ach, dachte ich aber. tatsächlich? planen und schon wird’s so. überall vorurteile, naturwissenschaftler sind machbarkeitsgeil, wirtschaftswissenschaftler sind machbarkeitsgeil, juristen sind machbarkeitsgeil, geisteswissenschaftler sind machbarkeitsgeil – ob das eine anthropologische grundkonstante ist? vermutlich wieder zu geisteswissenschaftlich gedacht. – geschätzte fünf mal erzählte er mir, er habe 24.000 briefe an absolventen verschickt und nur einer habe geantwortet. möchte mal sehen, wie h. 24.000 briefe schreibt und verschickt. beim briefmarkenkleben blieb ihm bestimmt die spucke weg … – da wird einem über den mund gefahren, dass man am liebsten aus der haut fahren möchte. ich bin doch kein dummer junge, trotz all meiner bretter vorm kopf. (vermutlich erzählt man sich aber derlei hinter vorgehaltener hand: kennen sie den? naja …) man kann doch immer freundlich bleiben. und wenn man einen kleinen elite-verein haben möchte, dessen mitglieder sich gegenseitig ihres unermüdlichen mäzenatentums versichern und auf politik, gesellschaft und jugend schimpfen, taugen alle nichts, die studenten am wenigsten, dann soll man’s auch sagen. dann verschwende ich darauf kein weiteres gran (wahrscheinlich doch nicht). – ich ärgerte mich und erst als ich abends mahlers erste sinfonie, der titan, im radio hörte, beruhigte ich mich wieder. es ist auch eigentlich kein ärger gewesen, niedergeschlagenheit war’s. solche leute wissen gar nicht, was sie in anderen anrichten. fährt da mit einem panzer durch mein seelengärtlein – mathematiker. stehen den dingen nüchtern gegenüber. so ein seelengärtlein gehört zu den dingen, wenn man’s medizinisch-naturwisschenschaftlich auch anders bezeichnen mag. jedenfalls fiel mir beim mahlerhören marc aurel ein. lass den doch reden. ich erinnerte mich, wie er mir, als ich ihn zum ersten mal sah, wie eine tragische figur aus einem amerikanischen gesellschaftsroman vorkam, saul bellow etwa. – g. macht urlaub in tirol und ich muss mich hier vollpflaumen lassen.
abends saß ich in der badewanne, las gedichte von hermann lenz und trank ungesüßten jasmintee. ich fühlte mich sehr asketisch.