geträumt: ich sah einen text vor mir, ohne ihn lesen zu können, und wusste: ein strittmatter-gedicht.
mir begegnete eine, wie sagt man politisch korrekt, farbige – vermutlich schon wieder rassismus – kommilitonin und ich dachte, ihr leidenschaftliche eleganz in der bewegung zuzuschreiben, ist gewiss rassistisch, aber ohne die ständige rassismusdebatte wäre ich nie auf den gedanken verfallen, ihr leidenschaftliche eleganz in der bewegung zuzuschreiben.
im grunde genommen handelt es sich auf diesen seiten um die ständige, wohl eher ermüdende als ermunternde variation zweier themen: frauen und die frage, ob man das richtige tut – ich bezweifle, ob das genügt als berechtigung zur textproduktion, aber zum einen ist das bereits wieder eine variation des zweiten themas und zum andern heißt es ja bekanntlich: wer kann, der tut – und noch kann ich weiter an meiner suada schreiben.
ich lese von lyrikerinnen, rothaarigen und brünetten, die jünger sind als ich und gedichtbände vorgelegt haben, romane schreiben und auszukommen scheinen; ich lese deren aufzeichnungen und verzweifle, weil ich keine differenz spüre.
ich habe einen text geschrieben und halte ihn für vorzeigbar, ja mehr noch: er gefällt mir. zugegeben, man bewertet eigene texte immer nachlässiger als fremde, so stellt man auch keine differenz fest. ich kann aber nicht erklären, warum mir der text gefällt, was daran gelungen sein soll. je mehr ich darüber nachdenke, um so zufälliger erscheint mir seine gestalt. die kontingenz der texte – spiegelt sie die kontingenz der welt. große worte, aber ich fühle mich wie ein blinder, der über van gogh schreibt. ich fühle mich immer wie ein blinder, der über van gogh schreibt. kann so sein, kann aber auch ganz anders sein, kann ich morgen schon ganz anders sehen oder in zehn jahren noch genauso. ich kann nichts mit bestimmtheit sagen, die verwunderung über meine ahnungslosigkeit und meine hilflosigkeit ihr gegenüber bezeichnen meine existenz. – jedenfalls, ich kann bei genauer betrachtung immer weniger erklären, warum mir jener text gefällt. er erscheint mir, je tiefer ich mich in ihn versenke, um so grober zusammengezimmert. ich kann auch nicht erklären, warum ich an dieser stelle dieses wort und an jener stelle ein anderes wort verwendet habe, warum sich an diesen satz jener, an diesen gedanken jener … anschließt. – oder liegt das geheimnis darin, dass ein text keine formel ist, die man begründen und herleiten kann, dass es schlichtweg keine formel für assoziationen gibt. trotzdem bleibt der bohrende gedanke, das sei lediglich so ungefähr und obenhin geschrieben, das müsse alles noch präziser ausgeführt werden. ich stelle mir zuweilen vor, wie leicht es wäre, wenn man besser, schneller und tiefgründiger denken könnte – aber vielleicht ist das nur eine illusion. –- kommt wer, klopft mir auf die schulter und sagt: ist schon in ordnung, was du machst und wie du bist – indes, niemand kommt.
woher kommen die gedanke, wie entstehen die worte, sie aufzuschreiben – und das auch noch sinnvoll und in einer angenehmen, eleganten, klaren form? Gib mir bescheid, wenn du eine lösung gefunden hast. ich bin selbst noch suchende. vielleicht ist man immer suchender.
sicher, man könnte das bestimmt irgendwie psychologisch, biochemisch mit irgendwelchen synapsen und nervenverbindungen, genetischen einflüssen und pädagogischen elementen zu erklären versuchen, aber letztendlich bleibt es doch eine art mysterium.
vielleicht ist das schreiben ja genau deshalb so eine anziehende und spannende angelegenheit, die zudem, so man sie beherrscht, bewunderung und respekt erntet? – könnte man die entstehung der kreativität und des schreibpotenzials 100prozentig herleiten, wäre es womöglich nichts außergewöhnliches mehr. aber diese gedanken spiegeln ja auch nur meine meinung (davon abgesehen schreibt ja heutzutage auch quasi die halbe welt…)
wie dem auch sei, man kann sich ja weiterhin damit beschäftigen, faszinierend wie es ist.
mir fällt noch etwas ein:
ja, man schätzt sich oft ganz anders ein. dazu fällt mir noch das zitat ein, welches ich dir unlängst zu lesen gab. ‚alle großen künstler sind zweifler.‘ wer zufrieden mit sich ist, entwickelt sich nicht weiter und stagniert. – gut, man kann auch durch zu viele zweifel stagnieren, aber ein gesundes maß an selbsunterschätzung und kritikfähigkeit (!) – was bei weitem nicht jeder besitzt – kann für einen schreibenden so verkehrt nicht sein, oder?
und da ich ja in gewisser weise mit meinen kommentaren ein wenig die rolle eines kritikers einnehme, erlaube mir ein kurze anmerkung:
„kommt wer, klopft mir auf die schulter und sagt: ist schon in ordnung, was du machst und wie du bist – indes, niemand kommt.“
ich klopfe dir hier und jetzt virtuell auf die schulter undmöchte einmal ganz nachdrücklich festhalten: ich finde es ungemein faszinierend und wohltuend, deine verschriftlichten gedanken lesen zu können, und der stil erzeugt in mir immer wieder aufs neue bewunderung. sicherlich, ich würde hier und da ein wenig anders schreiben, formulieren, aber mein stil ist ja auch ein anderer.
allein die tatsache, dass ich kommentare verfasse, dürfte ja zeigen, dass ich mich angesprochen, angestoßen, angeschaut fühle.
dazu kommt auch noch der gedanke, dir zeigen zu wollen, dass du mit so manchen betrachtungen und schlussfolgerungen nicht allein bist.
ich könnte jetzt noch so manches mehr schreiben, aber das sprengt den rahmen und weicht zu sehr von den beiträgen ab … 😉
es gibt eine szene bei hermann lenz, in der er die stuttgarter szene der experimentalliteratur in den 60er jahren schildert. einer fragt, man müsse nur noch eine formel für assoziationen finden. der vordenker der experimentalliteraten antwortet: so etwas könne es nicht geben. – insofern kann man sich weiter gedanken machen. woher sie kommen und auf welchem weg sich aus dem einen der nächste ergibt, lässt sich nicht klären.
martin walser hat einmal als einen impuls seines schreiben den wunsch bezeichnet, zu erfahren, ob es in dieser oder jener angelegenheit nur ihm so gehe. — ich sehe: mir geht es nicht allein so.