lila sei die trendfarbe des sommers. – allein die tatsache, dass ich mir solchen unsinn merke, verdient schläge und selbstkasteiung. nun ja. — wir fordern folglich: leipzig braucht eine universiätskirche, ohne glaswand, aber in lila – die lila leipziger universitätskirche als letzter versuch der rechristianisierung europas, die lila-laune-kirche, lila-leiki, lila-leuki, lila-lauki …

man möchte in der bibliothek in einem fort mit der kamera bilder festhalten von kommilitonen, die sich orientieren und einen ersten schritt in eine neue zeit tun, mit leidenschaft und kühnen vorstellungen. warst du jemals so? wieviel resignation hält man aus? wo ruhen, liegen die kräfte zum ständigen neuanfang – sie müssen doch irgendwo ruhen? in der tiefe, ich weiß, sagte ich.

im foyer des instituts, wo gerade poster und plakate zum verkauf angeboten werden (so wie man poster kauft und sich denkt, damit drücke man sich aus, wenn man sie im zimmer an die wand hängt, so sucht man sich auch lebensläufe aus – wer malt, gestaltet, designed schon ein poster für sich selbst; ich werde immer ganz traurig, wenn ich dieses bedruckte papier ansehe und mir die wünsche, sehnsüchte, hoffnungen vorstelle, die diese oder jener darauf projiziert) – im foyer ein pärchen, sie zwei köpfe kleiner als er, sie stellt sich auf die zehenspitzen, um ihn küssen zu können. ein bild, das einen mit melancholie erfüllt, innerhalb dieser technischen welt ein menschenpaar, sie wirken sehr verlassen, aber sie sind ganz auf sich bezogen: pereat mundus, … – ich wiederhole mich, was soll ich auch anderes tun? mir fällt nichts ein.

mir war kalt, ich musste etwas essen und trinken, manchmal vergesse ich das ja und bemerke es erst an einer fahrigen griesgrämigkeit. was blieb mir anderes übrig, als in eine nahe kneipe zu gehen? dort war mir sehr dekadent zumute. das ist das protestantische leistungsethos, das sich bemerkbar macht: was kannst du schon vorweisen, dass du berechtigt wärst, des abends in einer lokalität zu speisen? nichts, unterm strich nichts. einfälle genügen nicht, junger freund und alter kupferstecher. deine ideen sind weit davon entfernt, die massen zu ergreifen und zur materiellen gewalt zu werden (marx).

ein bild, darauf ein mensch mit gloriole aus kreisenden elektronen wie in bohrs atommodell. nette idee, aber beim abermaligen betrachten doch etwas fade – wie bei mir, wie bei mir.

am nachbartisch ein mann, der auf eine frau einredete. wie wird peinlichkeit soziologisch definiert? „fremdschämen“ heißt es wohl auch umgangssprachlich. jedenfalls merkte man deutlich, wie er eindruck machen wollte, laut, leise, witzig, ernsthaft – die ganze klaviatur. sie schien durchaus angetan zu sein, denn zum einen hatte sie sich auf die begegnung eingelassen und zum andern wendete sie sich ihm mit ganzem körper zu. – ich möchte zu gern solche balzgespräche aufzeichnen und weiter verfolgen, was sich daraus entwickelt. voyeurismus spricht nicht unbedingt daraus (ein stückchen schon, ein bißchen voyeurismus ist immer …), sondern vielmehr die tiefe neugier nach den mustern zwischenmenschlicher annäherung. schließlich muss man feststellen, dass es immer wieder ein wunder ist. sehen sich zwei, treffen sich und irgendwann, vielleicht, küssen sie sich und … fallen übereinander her, fühlen sich so stark zueinander, ineinander gezogen, dass alles übrige seine bedeutung verliert. ich staune, staune. wie ist das möglich, wie läuft das ab. ein wunder, ein rätsel: der flüchtiger augenblick, an dem einverständnis hergestellt wird und beide ihre lippen aufeinander zubewegen, ein flüchtiger augenblick und doch so gewaltig. – werde ich pathetisch? was heißt schon in dem zusammenhang „gewaltig“? – das eigentümlichste an dem wunsch der beobachtung ist wahrscheinlich, dass es dazu sogar schon experimente und studien gibt … — was jedoch am meisten berührt, peinlich berührt, ist die tatsache, dass ich der mann sein könnte, wie ich auf eine frau einrede und mein rad schlage, ich eitler pfau, nur ein reptilienhirn im kopf.

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