geträumt: ein besuch im dom zu merseburg, in einem buch der name „albrecht der bär“, das gewölbe ausgemalt mit biblischen szenen, die trinität, christus wie man ihn etwa aus romanischen bibelillustrationen kennt, daneben der teufel mit hörnern als sei er ein alpenländischer dämon, und eine karre mit dem gnadenschatz der kirche, die karre ragt als plastik zum teil aus dem gewölbe heraus, gelungen der übergang zwischen wandmalerei und plastik, die perspektive erstaunlich stimmig. – aus einem nächtlichen wald ein roter laserstrahl, der schräg in den himmel verlief. – beim erwachen die frage, wie wohl das alltägliche leben in einer kleinen stadt mit gymnasium, apotheke, theater und zuckerrübenfabrik in mecklenburg-strehlitz, beispielsweise friedland, so um 1910 oder um 1925 ausgesehen hat.

beim gang über den nikolaikirchhof fühle ich mich immer so bürgerbewegt, nicht nur im oktober.

nichts, unterm strich des tages nichts. man könnte sich ärgern, ich ärgerte mich bis in den abend. man darf sich aber nicht kleinkriegen lassen von den misslichkeiten. immer einen gedichtband einstecken haben. allein mit poesie ist das leben ertragen.

was mir neben der erkundung der landschaft mitteldeutschlands zwischen prag und leipzig am herzen läge, wäre die selbstvergewisserung seiner gesellschaft, dazu einen beitrag zu leisten. der ort, an dem man lebt, verpflichtet

noch eine abschließende bemerkung zum umgang mit dem erbe des ddr-regimes, zu der ich mich als spät-, ja fast nachgeborener, aber gleichwohl leidenschaftlicher bewohner mitteldeutschlands berechtigt fühle. im umfeld der gedenkjahre der sprengung von st. pauli 1968 einerseits und der herbstrevolution von 1989 andererseits scheint es mir an der zeit, eine differenzierte, das ist immer auch eine leise und unpolemische debatte über die diktaturerfahrung einzufordern und zu beginnen. durch attacken nach dem muster des kalten krieges, wie sie allenthalben im streit um die universitätskirche wieder aufflammen, durchbricht man nicht das schweigen, das die politikwissenschaftlerin gesine schwan einmal als das „irrsinnige erbe nachdiktatorischer gesellschaften“ bezeichnet hat, man verhärtet vielmehr die überkommenen positionen – der ostdeutschen gesellschaft, ihrer erneuerung und ihrem selbstvertrauen wird damit in keiner weise geholfen. wir müssen wieder eine gemeinsame sprache finden, um uns unsere erfahrungen zu schildern, jeder zugewanderte ist dazu herzlich eingeladen, aber der antrieb muss von uns ostdeutschen selbst kommen, die wir durch teilnahme oder wenigstens mittelbar durch sozialisation betroffene sind, andernfalls ist die debatte aufgesetzt und damit wirkungslos. man mag diese positon nicht teilen, mir scheint sie aber der einzige weg zu sein. selbstgerechtigkeit und polemiken helfen meines erachtens dabei nicht, sondern bekennendes reden ohne beschimpfung, das grübelnde, zweifelnde, räsonierende wort, das den austausch von argumenten und eine sachbezogene debatte ermöglicht – die universität leipzig wäre ein ort dafür, wenn sie es will, wenn es die menschen wollen. (unveröffentlichter teil aus einem statement zum neubau des leipziger universitätscampus.)

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