reiner kunze berichtet in seiner büchnerpreis-rede: (…) vor zwanzig jahren, ich war damals wissenschaftlicher assistent, ließ mich mein chef zu sich rufen und sagte: „so, sie schreiben gedichte!“ er hatte sie gedruckt vor sich liegen. und nach einer pause, die ich als sehr lang in erinnerung habe, sagte er: „naja, auch sie werden noch vernünftig werden.“ damit war ich wieder entlassen. (zit. nach: reiner kunze, rede zur verleihung des georg-büchner-preises, in: heiner feldkamp (hrsg.), reiner kunze. materialien zu leben und werk, frankfurt am main 1987, s. 35.)
nach der promotion stünde ich vor der gleichen herausforderung wie heute oder vor zehn jahren. zum einen: wie verbinde ich das forschen und das schreiben, zum andern und noch viel entscheidender: hat mein schreib- und forschungsinteresse bedeutung über meine person hinaus? inwiefern kann ich rat und kritik aufnehmen, ohne mich zu verbiegen. ohne schaden zu leiden an der seele, um es dramatisch auszudrücken. aber die beantwortung dieser frage sollte man nicht unterschätzen, sie ist dramatisch, denn sie berührt den lebens- und wesenskern meines daseins. wenn ich nicht forschen und schreiben kann, was und wie ich will, sei es, weil die ökonomischen voraussetzungen fehlen, sei es, weil es uninteressant und bedeutungslos ist, bin ich nur ein armer, elender knecht. von kopf bis fuß bin ich darauf eingestellt.
das eigentliche problem besteht darin, u. hat das sehr genau erkannt, dass ich selbst zu hohe ansprüche an mich habe und annehme, alle andern täten das auch. so weit, so gut. aber erstens sehe ich keinen gegenbeweis für meine annahme und zweitens kann man doch nicht einfach etwas hinschreiben und sich mit mittelmaß zufrieden geben. freilich: wenn man nur mittelmaß liefern kann, muss man das akzeptieren. ich weiß nicht, ob sich das in meinem fall so verhält; ich fürchte: ja, ich hoffe: nein, nicht ganz … außerdem kann man sein leben nicht mit zweifeln am eigenen tun verbringen, ohne je etwas zu tun. man muss auch beginnen und sehen, wie weit man kommt. das ist mir alles längst klar, aber der entscheidende schritt zur tat, zum ersten, zweiten, dritten … xten satz gelingt mir nicht. wieder auf anfang: das problem der überhöhten ansprüche an die eigenen fähigkeiten.
spätabends eine dokumentation über arthur schramm. „der wald: hüben bäume, drüben bäume und dazwischen zwischenräume. / in der mitte fließt ein bach – ach. // glückauf. arthur schramm.“ – ich frage mich, ob ich nicht auch so eine art arthur schramm zu werden drohe. was mich wirklich beruhigt, ist die tatsache, dass ich ein misanthrop mit sicherheit nicht bin. noch nicht, noch nicht, raunt und raunzt der zweifelzwerg in meinem ohr. – die gegenüberstellung der viten von arthur schramm, dem belächelten, selbsternannten weltliteraten aus der erzgebirgischen provinz, und carlfriedrich claus, dem literarischen grenzgänger aus dem gleichen ort, den zwar kaum einer verstand, von den ansässigen, der aber wohl noch am meisten die bezeichnung verdient hat, wenn man die reichweite von wirkung und bedeutung seiner werke als kriterium heranzieht.