geträumt: eine diskussion im kreise eines mathematikers und eines technikers. ich sage: ich bin historiker und, füge ich zögernd und rasch nochmals bedenkend hinzu, dichter. skeptische blicke, reserviertes, ablehnendes grummeln. physik und mathematik sind zweifelsohne notwendig, ergänze ich, aber genauso notwendig, da lasse ich mir nichts einreden, genauso notwendig sind geschichte und poesie. ich führe das näher aus: der halt, den die poesie in existentiellen krisen zu geben vermag. zumindest will ich das näher ausführen. – ein teils schwarz, teils beige gescheckter hahn inmitten einer hühnerschar.

nachmittags besuchte ich die adventsmusik in sankt salvator, viel barockes, etwa der mir bislang unbekannte johann christoph pez mit einem concerto pastorale. während ich zuhörte und zeit hatte, eigenen gedanken nachzuhängen, stellte sich eine fülle von einfällen ein. es ist nicht so, dass man sich einfach an den schreibtisch setzen, den stift zur hand nehmen oder die finger auf die tastatur legen kann und dann erwarten: ideen kommt, ich bin bereit und schreibe mit. freilich mache ich es mir mit der zuspitzung auf dieses dilemma recht einfach. die disziplin besteht tatsächlich darin, sich an den schreibtisch zu setzen und den stift zu ergreifen.

wie gelingt es, sich von den vorherrschenden auffassungen so weit zu emanzipieren, dass man sich nicht von ihnen tyrannisieren lässt? tyrannisieren heißt, mehr interne kosten ihnen gegenüber aufzubringen als man externen nutzen daraus zieht. der markt reguliert sich selbst am besten! – wir brauchen einen starken staat! – manchesterkapitalist! – staatssozialist! – neoliberealer! – salonbolschewist! – dummkopf! – selber! ein ritualisierter schaukampf, bei dem sich die protagonisten worthülsen um die ohren schlagen, ist reine unterhaltung. befriedigende lösungen zu solchen universalen problemen wie der frage nach den gerechten bedingungen der existenzerhaltung gibt es nicht. man kann nur immer wieder anpassungen vornehmen und die ungerechtigkeiten lindern. aber das kann man ohne zweifel tun. man ist kein sozialist, wenn man den kapitalismus kritisiert, so wie er jetzt beschaffen ist; man ist kein sozialist, wenn man die aussage unterstreicht: das system der existenzsicherung muss dem menschen dienen, nicht der mensch dem system. aber man ist auch kein marktradikaler, wenn man ebenso zu bedenken gibt:  es muss alles erwirtschaftet werden. auf dem rücken von malaiischen näherinnen utopische staats- und wirtschaftsmodelle zu diskutieren ist vor allem: heuchelei. — dabei ist ein sozial gedämpfter kapitalismus die bislang beste form. das ist keine affirmation, eine verpflichtung, weiterhin darüber nachzudenken, wie man die gerechtigkeit und ausgeglichenheit der existenzsicherung weiter verbessern kann. ich spreche von existenzsicherung und -erhaltung, um nicht den vereinfachenden begriff „wirtschaft“ zu verwenden.

der kern meiner poetik besteht darin, der welt beizukommen, die mich umgibt.

in gewisser weise bin ich ein authist: ich kann neue ideen nicht ausblenden, ich kann mich nicht konzentrieren auf ein projekt.

vielleicht besteht doch ein zusammenhang zwischen demokratie und kapitalismus. wenn das wesen des kapitalismus darin liegt, durch den zwang zur effizienz die lücken in den rahmenbedingungen zu finden, ist das adäquate politische system dazu sehr sensibel und ebenfalls effizient. effizienz meint dabei, so schnell als irgend möglich politisch gesetzte rahmenbedingungen zu entwickeln, die den bedürfnissen einer mehrheit gerecht werden, die so groß wie möglich ist, und dabei zugleich so wenig minderheiten wie möglich, die noch dazu so klein sind wie möglich, in einem erträglichen maß zu belasten. die beteiligung aller am entscheidungsfindungsprozess, wie es ideal in der demokratie verwirklicht ist, kommt diesem politischen system am nächsten. demokratie gehört nicht notwendigerweise zum kapitalismus, aber sie scheint mir das beste, effektivste korrektiv.

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