vor 599 jahren wurde im thomaskloster die universität leipzig gegründet. sie geht ins 600. jahr ihres bestehens. universitätsgeschichte, wohin man sieht – und ich mittendrin. eine schelmin, die „heuchelei!“ hüstelt und flüstert … eine blonde schelmin. – mit berechtigung lässt sich fragen, warum ich mich damit beschäftige und nicht meine eigenen dinge weiterverfolge. es liegt viel pathos in andrzej stasiuks wort, der ort, an dem man lebe, verpflichte; es verschleiert die umstände auch ein wenig. niemand engagiert sich aus dem gefühl der verpflichtung. andererseits ist engagement kein purer zeitvertreib zum vergnügen. man fühlt sich gezwungen. das unijubiläum ist eine einmalige gelegenheit, das gebe ich unumwunden zu. ich weiß ganz genau, wie sehr ich mich später ärgern würde, wenn ich jetzt nichts unternähme. diese gelegenheit darf man nicht verstreichen lassen. es ist zweifelsohne schwer, solche gelegenheiten zu erkennen. aber wenn man eine erkannt hat, ist es schwer, sie ungenutzt verstreichen zu lassen.

ich lief durch die bibliothek, zwei frauen sahn erst mich, dann sich an und lachten leise, als hätte ich eine rote bommelmütze auf dem kopf. hatte ich aber nicht. „greulweiber“, dachte ich später, werde ich sie nennen.

zwei graue weiber, halbnackt, zottelhaarig, mit hängenden hexenbrüsten und fingerlangen zitzen, hantierten dort drinnen aufs gräßlichste. über einem becken zerrissen sie ein kleines kind, zerrissen es in wilder stille mit den händen – hans castorp sah zartes blondes haar mit blut verschmiert – und verschlangen die stücke, dass die spröden knöchlein ihnen im maule knackten und das blut von ihren wüsten lippen troff. (thomas mann, der zauberberg, frankfurt am main 1991, s. 676)

dennoch fasziniert mich die eine von beiden auf seltsame art, lächelt mich zuweilen an, dass ich es nicht anders als freundlich gemeint auffassen kann. aber wenn ich an sie heranträte, wie mir frau courasche ins linke ohr flüstern würde, und fragte, ob sie nicht lust hätte, mit mir bei einem getränk ihrer wahl ein wenig zu plaudern (der alte plauderer … von wegen „plaudern“, ha! „unterhalten“ kann auch anders gemeint sein …), die lachte mich doch aus. mit dir, dir? woraufhin mein sprödes-blödes* rückgrat angeknackt, wenn nicht ganz zerknirscht ist. * „spröde“ zwingt zur verwendung von „blöde“, da ist man ganz machtlos …

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