im dlf das porträt des ukrainischen schriftstellers taras prohasko (23.02.09; www.dradio.de/dkultur/sendungen/profil/923025/):
dieser ort bedeutet für mich eigentlich alles. alles, was ich denke, erlebe und fühle, ist mit dieser landschaft verbunden. auch wenn ich woanders bin, die art und weise, wie ich die welt sehe, hat hier ihre ursprünge.
das ist der ort, in dem ich mich einfach auflöse. es ist das gefühl, als wären hier viele geschichten gleichzeitig anwesend. hier, so habe ich einmal geschrieben, erinnere ich mich an dinge, an die ich mich eigentlich gar nicht erinnern kann.
das entspricht meinen empfindungen zum erzgebirge im engeren und zu mitteldeutschland in mitteleuropa im weiteren sinn. heimat ist ein emotionsteppich, der über die landschaft gelegt ist, sagt so ungefähr der leipziger maler neo rauch. ich habe in einem aufsatz einmal von einem semiotischen heimatbegriff gesprochen. heimat sei ein vielfältig verwobenes bedeutungsgefüge, das auf eine bestimmte landschaft gelegt werde; diese landschaft sei damit der signifikant für das signifikat von „heimat“. und über die wanderung auf den spitzberg/velký špičák im vergangenen sommer schrieb ich: (…) das gedächtnis der verstorbenen, / die hier überall begraben liegen, / ist tiefer ins gebirge eingesintert / und hat sich zu gebilden eigner art / mit dem gestein verbunden. – also doch auf dem richtigen weg? da es vermutlich gar keinen „richtigen“ weg gibt, zumindest auf dem weg und einige bestätigungen am wegesrand, die weiterlocken.
es schneite unentwegt bei temperaturen um den gefrierpunkt, was den schnee beim schippen schwer machte und ihn an der schaufel haften bleiben ließ. – mittlerweile ist schnee nicht mehr in „winter“ eingeschrieben, weshalb man von einem schnee-winter in abgrenzung zu einem gewöhnlichen winter sprechen muss, der sich durch nasskaltes, trübes wetter auszeichnet, aber nichts mehr gemein hat mit einem erzgebirgswinter, wie er im buche stand vorzeiten.
abends sah ich ein gespräch zwischen (dr. med.) uwe tellkamp (arzt und autor) und alexander kluge. sie sprachen über halberstadt und den bombenangriff darauf einerseits, dresden in der spätphase der ddr andererseits und grundsätzlich über relikte von vergangenheit, die in die gegenwart schießen, die verwandlung von realtität in literatur bzw. die entstehung von realtität durch literatur und die revolution 1989. nicht nur kluge stellte fragen, auch tellkamp erkundigte sich über kluges erleben und erinnern in form von literatur. – kluge kam auf den palast der republik zu sprechen und der unbedarfte zuschauer, der ich vor jahr und tag gewesen war (und in den ich mich noch immer ganz leicht versetzen kann), hätte denken können: was der kluge alles weiß – nomen est omen. aber was er über den palast der republik sagte (der stolz der ingenieure, die mit dem bau ein einziges mal ihre fähigkeiten nicht dafür gebrauchen mussten, maschinen am laufen zu erhalten, die ihre großväter und urgroßväter gebaut hatten, sondern sich an etwas gänzlich neuem versuchen durften), hatte er aus dem gespräch mit dem publizisten moritz holfelder erfahren, das er vor geraumer zeit geführt hatte – und das mich über die rolle der ingenieure in der ddr und beim transformationsprozess vor zwanzig jahren nachdenken ließ und noch immer nachdenken lässt.