geträumt: ich stand am rande eines waldes. dort brach recht steil das gelände mehrere hundert meter tief in eine ebene. man konnte weit ins land blicken. der abhang war schnurgerade und wirkte glatt, es sah aus wie von menschenhand geformt, kleine felsbrocken, zwischen denen grasbüschel herausquollen. mir war klar, dass es sich dabei um die pultschollen-klippe des erzgebirges, das egertal und böhmen handelte. ich lief gefahr, den hang hinunterzustürzen, und hielt mich deshalb in einiger entfernung. ein paar mädchen, die um die 15 waren, strichen herum. ich wusste nicht, ob es tschechinnen oder deutsche schülerinnen auf klassenfahrt waren. eine verlassene gaststätte mit aussichtsturm lag an der klippe. plötzlich war eine der schülerinnen den abhang hinuntergestürzt: unfall, suizid, mord? so befand ich unversehens wieder einmal in einem kriminalfall.
wir wanderten zum sogenannten „zigeuner-felsen“, einer basaltformation im conduppelbach-tal. wir verliefen uns ein wenig, so dass wir durchs unterholz kriechen mussten, das durch die schneeschmelze sehr morastig gewoden war. der felsen, den wir nach einigen umwegen (1) erreichten, ist so hoch wie die fichten ringsum, so dass man ihn einerseits nicht von ferne her sieht, andererseits kann man den blick über den wipfeln schweifen lassen, wenn man den fels erklommen hat. an seinem oberlauf heißt der conduppelbach „rotes wässerle“, so zumindest meine erinnerung an einen heimatkundlich geführten ausflug vor über zwanzig jahren. das rot sei auf ein blutiges getümmel während des dreißigjährigen krieges zurückzuführen – oder erinnere ich mich an dieser stelle falsch und menge ein altes sagen-topos hinein? daraus ließe sich natürlich sehr einfach ein roter (!) faden spinnen hinsichtlich meines bezugs zum dreißigjährigen krieg, den man durchaus als angelpunkt der frühen neuzeit bezeichnen kann: hier finden die verwirrungen, die die reformation entfesselte, verfassungsrechtlich ein befriedigendes ende, so dass fortan die konfessionellen konflikte pazifiziert vor gericht ausgehandelt werden konnten; zugleich wurzelt hier das 18. jahrhundert mit seinem toleranzgedanken, seinen kabinettskriegen mit einem ganz spezifischen ius in bello, ja mit der aufklärung selbst, in einigen ihrer wesentlichen aspekte. – freilich: schicksal ist das nachträgliche gewebe aus zufällen und erfindungen, das einem leben sinn verleiht.
abends überlegte ich mir, parallel zu der studie zur rolle kursachsens beim westfälischen frieden eine art forschungs-tagebuch zu schreiben – und am ende als ergänzungsband zur monografie herauszugeben, ob es den herren in leipzig gefällt oder nicht: die dokumentation der irrtümer, fehlenschätzungen und zweifel. seht: ein nebel geht über die wiese – und ich koche auch nur mit wasser
(1) es hat sich bestätigt: umwege dienen der verbesserung der ortskenntnis. was dieser, auf den ersten blick paradoxe zusammenhang für die bewertung der erfahrung bedeutet, die oberflächlich als „scheitern“ bezeichnet wird, liegt nachgerade auf der hand.