zum armutsbericht, der ein deutliches gefälle zwischen alten und neuen bundesländern ausweist, schreibt der südkurier aus konstanz: „städte wie tuttlingen, furtwangen oder donaueschingen verdanken ihre gesunde wirtschaftliche basis nicht staatlichen programmen, sondern der initiative, dem einfallsreichstum und dem mut der vorfahren. sie haben im letzten jahrhundert auswege aus der not dieser an rohstoffen armen region gesucht. doch der wandel von der landwirtschaft zur industrie hat generationen gedauert.“ – das ist schon ein starkes stück – an selbstgerechtigkeit. es fragt sich, wie viele redakteure regionaler und überregionaler zeitungen aus den alten bundesländern in mitteldeutschland waren, mit den menschen gesprochen und sich ein bild vor ort gemacht haben. vermutlich meinen sie, es genügt eine angeheiratete großtante zu haben, die um 1970 einen tagesausflug nach weimar oder dresden gemacht hat. da wird munter das bild vermittelt, ja mehr noch: bestätigt und tradiert, wonach alle in den „neuen armutsregionen“, eine bezeichnung für die neuen bundesländer mit einiger schärfe, mindestens seit der steinzeit auf der faulen haut gelegen haben und überschuss, sofern er durch glückliche umstände tatsächlich einmal mehr eingetreten ist als erwirtschaftet wurde, sofort verprasst haben. prassnik eben. da kann man nur ebenso überspitzt erwidern: als sie da im südschwarzwald noch mit fellen ums feuer gesprungen sind, hat man im erzgebirge schon maschinell wasser aus und frischluft in die bergwerke be-fördert und in leipzig nach ost- und westindien oberlausitzer und schlesisches tuch verhandelt. die deutsche teilung und deren langfristige wirkungen beruhten ja nicht auf leistungs-moralischen kriterien: hier die faulen, dort die fleißigen, sondern, wenn man so will, auf dem moralischen versagen aller, denn hitlers drittes reich, seine sozialen geschenke und seinen eroberungskrieg haben alle gemeinsam mehrheitlich begrüßt und unterstützt oder wo nicht, so zumindest: billigend in kauf genommen. die kommunistische diktatur zwischen elbe und oder, erzgebirge und ostsee ist ja nicht vom himmel gefallen, genausowenig wie die russischen (sowjetischen) bajonette, auf denen sie ruhte, plötzlich aus dem boden sprossen: 1941, 1939, 1933 – war da was? in tuttlingen, furtwangen und donaueschingen offenbar nichts.
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