eine nachricht aus somalia, „radikale islamisten“ hätten eine stadt erobert. zunächst klingt das ganz nach frontberichterstattung, man denke sich dazu eine fanfarenmusik. was aber ist ein „radikaler islamist“ im unterschied etwa zum „moderaten islamisten“, den es der logik der bezeichnung nach auch geben müsste? ein wenig gottesstaat kann es nicht geben, entweder zuletzt ganz und gar und global – oder gar nicht. was ist „moderat“ an dem wunsch, einen solchen staat weltumspannend zu errichten, in dem die scharia gilt, was wäre weniger „radikal“? – gewiss: ich übertreibe und habe auch keinen wirklichen einblick in die befindlichkeiten von so genannten „islamisten“. ist die bezeichnung des „radikalen islamisten“ nur ein pleonasmus, um etwa dem unbekümmerten mitteleuropäischen zuhörer die gefährlichkeit der gotteskrieger vor augen zu führen – oder handelt es sich nur um eine dumme tautologie?

um ins schreiben zu kommen, suchte ich einen tagebuchband von ernst jünger heraus und blätterte darin herum. ich stieß auf eine beobachtung von ihm auf dem wilfinger friedhof: die grabplatten der zwillinge sebastian und fabian knoll, die am 20. januar 1803 geboren wurden. (man beachte die tradition der namensgebung nach den jeweiligen tagesheiligen.) der eine wurde österreichischer offizier und starb 1904, der andere trat in preußische dienst und verschied schon zehn jahre vor seinem bruder. trotzdem zwei ungewöhnlich lange leben für das 19. jahrhundert. die vielfältigen wandel, die sich in diesem säkulum (so würde vermutlich jünger formulieren) vollzogen oder zu vollziehen begannen, müssen beide bewusst miterlebt haben. den gipfel der macht napoleons und die (so genannten) befreiungskriege waren vermutlich der beginn ihrer erinnerungen, vormärz mit sehnsucht nach liberalismus, demokratie und nationalismus, zudem industrialisierung und technischer fortschritt, schließlich das auseinanderfallen des deutschen bundes und die kleindeutsche lösung der nationalen frage durch preußen, zuletzt, zumindest bei sebastian knoll, demjenigen, der länger lebte, das heraufdämmern der europäischen krise, die das 19., sein jahrhundert beendete und mit dem ersten weltkrieg das 20. einleitete. eine spannende doppelbiografie. (vgl. ernst jünger, siebzig verweht. bd. 1, dritte auflage, stuttgart 1995, s. 281f.)

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