eine gewisse ironie liegt in dem ansinnen brasiliens, in der gegenwärtigen krise der europäischen gemeinschaftswährung portugiesische staatsanleihen zu kaufen, um wirtschaft und haushalt des ehemaligen mutterlandes zu stützen. das ist eine neuerliche volte in der geschichte der europäischen expansion, deren nachwirkungen offensichtlich noch nicht vorbei sind. abermals erfährt europa damit eine verändernde beeinflussung. zusammengehörigkeitsgefühle, subtile rachevorstellungen, äußerungen von emanzipation und selbstbewusstsein – all das spielt vermutlich in das brasilianische vorhaben hinein. – die bereitschaft chinas wiederum, ebenfalls staatsanleihen südeuropäischer länder zu kaufen, griechische, spanische, portugiesische, lässt die möglichkeit einer chinesischen expansion in die welt vor der europäischen in einem neuen licht schillern: die flotte des admirals zheng he mit ihren entdeckungsfahrten in südostasien und im indischen ozean bietet durchaus das potential zu einer historischen alternative, in der man sich bei einer fortsetzung der maritimen erkundungen ming-chinas ohne weiteres die ankunft von schiffen aus dem reich der mitte im hafen von lissabon noch zu lebzeiten heinrich des seefahrers vorstellen kann, der in diesem fall vermutlich nicht seinen abenteuerlichen beinamen erhalten hätte.1

1: cerstin gammelin/sebastian schoepp: portugal will nicht gerettet werden … in: sz vom 10.01.11, s. 19.



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Eine Antwort zu

  1. sri sagt:

    inzwischen ziehen junge portugiesen – wie zu beginn der (europäischen) neuzeit wieder nach angola, um dort ihr glück zu suchen. nur damals lag die ursache für den migrationsdruck in einem geburtenüberschuss: zu wenig chancen für junge leute; heutzutage motiviert ein geburtenmangel zur auswanderung: zu wenig chancen für junge leute (vgl. ulli neuhoff, wirtschaftsboom in angola, reportage im weltspiegel, ard 26.02.12, 19.20, url: http://www.tagesschau.de/ausland/weltspiegel478.html, letzter zugriff: 26.02.12).

    wenn man allerdings hinzufügt: zu wenig chancen für junge leute in einem alten erdteil hat das so einen klang, der nicht nur kulturpessimismus und fatalismus beinhaltet, sondern auch eine biologistisch-kosmologischen perspektive, die äonen, zumindest aber saecula ins auge fasst und blind ist für das einzelschicksal. das ist aber nichts weiter als geschwätz im stile oswald spenglers: es inszeniert sich als überlegen klug und kühl, ist aber trotzdem einfältig, weil es nicht konkret wird. letzten endes gilt das auch für karl marx: wo man produktivkräfte walten sieht, gerät der einzelne aus dem blick – und wohin das führt, lässt sich im letzten jahrhundert besichtigen.

    was die handlungsmöglichkeiten in der je eigenen gegenwert anbetrifft, so geht es also zu allen zeiten darum, die lücke auszunutzen, die der teufel lässt – um zu entwischen. was die reflektion der gewählten möglichkeiten wie der ausgeschlagenen, so kommt es darauf an, eine perspektive zu entwickeln, die den blick weitet, ohne den einzelnen zu übersehen.

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