jens bisky schreibt über karl schlögel, der am abend den leipziger buchpreis zur europäischen verständigung erhält, man merke „es seinen texten bis heute an, dass er vom schreiben hatte leben müssen und sich die diskrete vornehmtuerei der laufbahnschriften nicht leisten konnte“ (wahn und wirklichkeit der städte. karl schlögel erhält den buchpreis zur europäischen verständigung, in: sz vom 11.03.09, s. 14). – mit einem wort: feuilleton.

lesen heißt in andere welten eintauchen, lesen heißt sich von der eigenen welt entfremden, führt ulrich johannes schneider, in seinem vortrag über bibliotheken und die (un)ordnung des wissens aus, mit dem die universität den reigen ihrer buchmessen-auftritte eröffnet. (handschlag vom rektor, verbeugen, diener machen, halten zu gnaden – immer diese obrigkeitsfixiertheit, der häusler- und kutscherenkel eben …) – lesen heißt, ließe sich die reihung fortsetzen, sich dem fremden annähern – und was will, was kann man mehr? wer liest, liest sich in fremde welten ein, das fremde will gelesen sein, insofern ist jedes lesen ein ethnologischer akt und ethnologie heißt insofern immer zuallererst lesen. – unter dem titel „dreidimensionale lektüre eines tagebuchs“ schrieb ich vor einiger zeit folgenden text, mit dem tagebuch ist das reisejournal des leipziger mediziners christian gottlieb ludwig gemeint, das von einer kursächsichen afrikaexpedition berichtet und nach wie vor in der sondersammlung der albertina seiner edition und erschließung harrt:

alles ist machbar, die welt ist erforschbar und die menschen können erzogen werden; davon bin ich überzeugt und deshalb unternehme ich diese reise.

um so vieles kleiner ist mein mut, während binnen tagesfrist jede weltgegend erreichbar ist; weil ich indessen selbst die weiträumigkeit dieses bibliothekssaals fürchte, hocke ich in einer ecke davon und erkunde die welt mit längst erloschenen augen.

über den leichtsinn lächle ich, über die schwermut lächle ich; aber ein leben, das sich allein auf das lächeln gründet, scheint mir zu flüchtig. – gibt es eine ernsthafte position, die zugleich beschwingt ist, mitten in der welt, und doch nicht ganz darin verstrickt? das einfache, das schwer zu machen ist?

ich, ich, ich – wer ist das eigentlich, was ist das eigentlich?

drei abenteuer erlebe ich: wie ich nach nordafrika reise (fast noch ein wunderland am rande der welt), wie ich ein tagebuch von einer reise nach nordafrika lese (fast schon ein wunder am rande der welt), wie ich sowohl von dem einen als auch von dem andern erzähle (fast schon am rande einer wundervollen welt).

und wer bin ich?

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