im regen lief ich durch die stadt, hielt meinen kopf und meinen rücken gerade; nach einer weile stellte sich eine befriedigung, ja eine zufriedenheit ein, erhobenen hauptes regen und kälte zu ertragen. du trägst einen innenraum durch die welt, der un-angreifbar ist, kam mir in den sinn.
obwohl ich nur wenig schlief und früh aufstand, kam ich im großen und ganzen zu: nichts. soll heißen: keine zeile. am späten nachmittag kehrte ich heim, setzte mich in den sessel, fand aber keinen schlaf, es war kühl, ich hatte nicht viel gegessen und durch das geöffnete fenster drang vom alten platz lärm und vogelgezwitscher. ich blätterte durch die lyrik-bände von heaney, aber ich fand mich nicht so recht in die gedichte hinein; zuletzt setzte ich mich aber doch an die schreibmaschine und tippte ein paar: zeilen. auf diese weise war der tag gerettet, denn nulla dies sine linea …, und ich konnte gelassen in den abend gehen. als es klingelte, war ich noch nicht ganz damit fertig, einen eindruck vom morgen zu notieren, als ich durch den park fuhr; ich schloss es rasch ab und stürmte aus dem haus.
eines von heaneys gedichten nimmt einen gedanken vorweg, der mir vor einiger zeit, teils aus eigener erfahrung, teils aus der beschäftigung mit thomasius‘ sittenlehre gekommen war: lieb, vervollkommnen werd ich für dich das kind, / das selbstvergessen in meinem schädel schafft, / mit schwerem spaten, bis soden aufgeschichtet sind, / oder durch den schlamm des tiefen grabens stapft (…) (gedicht, in: ausgewählte gedichte, münchen/wien 1995, s. 14.) – ich las es wiederholt, ich las es laut; wie beim abschiedswort (ebd., s. 13), bei diesem vielleicht noch stärker, haben sich dort schlichtheit und genauigkeit verbunden. insofern ließe sich die frage, was ein gedicht sei derart beantworten: die bezeichnung eines kühnen gedankens, die präzise auf dessen wesentlichen gehalt reduziert worden ist.