was brauchst du (friederike mayröcker)

was brauchst du? einen Baum ein Haus zu

ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch

wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone

dich verlierst in grüner üppiger Schönheit

wie groß wie klein bedenkst du wie kurz

dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume

du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus

keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach

zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen

zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund

die Gestirne das Gras die Blume den Himmel

es geht um das schreiben … bis zur erschöpfung; (…) der rhythmus, der einem wunderbarerweise das schreiben zum leben macht und das leben zum schreiben

(deutschlandfunk, lyrikkalender – eine großartige sache, ein genialer gedanke: zwischen erwin huber und börseninformationen die merseburger zaubersprüche …)

vielleicht ist es ja in der tat so, dass uns eine relatio in anima et animo verbindet; ich bin fest davon überzeugt, dass wir aus unserer zufälligen begegnung (wie sie sagte: was, wenn sie kein cello spielte …) irgend etwas machen müssen – was genau: ich weiß auch nicht, aber es wäre doch traurig (und was entgänge der großen und kleinen menschheit …), wenn unsere begegnung folgenlos im sande der zeit verliefe! ich gebe zu, eine frau, drei kinder, viele bücher und das bis 105 bei klarem verstand und in rüstigkeit, dieser vorstellung hänge ich auch an. sie möchte ich unbedingt in meinem leben haben, in welcher weise nun auch immer; schließlich brauche ich ja eine weibliche sichtweise auf meine einfälle. ich sehe mich als einen konservativen, dessen oberste parole lautet: pragmatisch handeln. freilich: wenn es einen erwischt, ist man gegen die biochemie machtlos – oder doch nicht ganz, sofern man sie als machtvoll anerkennt? insofern jedenfalls bin ich mir über die kulturellen prägungen bewusst, die unser und auch mein bild von „liebe“ und „zweierbeziehung“ ganz entscheidend ausmachen – genauso wie über die biologisch-anthropologischen prägungen. ich weiß (ich ahne …) was das interesse für menschen im guten wie im zerstörerischen anrichten kann; die vernunft kann da meistens nur zusehen. aber was wäre das für eine vernunft, wenn sie daraus nicht lernte. kurzum: ich weiß, dass wir alle aus krummem holz gemacht sind, so dass man keine geraden ellen an uns legen kann ohne zu scheitern. folglich darf man eben keine gerade elle anlegen. soll heißen: pragmatisch handeln bedeutet die realitäten des lebens so gut es geht erkennen (was erkennt man, was deutet man?), sie akzeptieren und versuchen, immer das beste daraus machen, das beste, wozu man irgend in der lage ist. gerate wohl! man mag eine feste vorstellung haben (eine frau fürs leben, drei kinder usf.) und über das stete scheitern in der realität unglücklich und depressiv werden – oder man muss sehen, was sich aus dem gegebenen machen lässt. nehmen, was man kriegen kann und das beste daraus machen. das mag nun sehr alternativ klingen, nach meiner lesart ist es aber ganz unideologisch konservativ. gewiss: auch ich trag meine brille. denn es bedeutet ja nicht: beliebigkeit leben oder gar allem hinterher sein, was nicht, wie man so sagt, bei drei! auf den bäumen ist, sondern es bedeutet, die beliebigkeit, die zufälligkeiten des lebens aufnehmen und mit aller zu gebote stehender macht sinn stiften, sich entgegen allen wahrscheinlichkeiten und allem scheitern zum trotz in das leben werfen, das beste daraus machen – was auch immer bedeutet: rücksicht nehmen, niemanden zwingen, auf gewalt verzichten … mitzulieben, nicht mitzuhassen ist mein teil. es sollte uns doch möglich sein, einen modus vivendi zu finden. – schleiermacher definiert die liebe als synthese aus fantasie und vernunft.

ich kann nur sagen, was ich jetzt denke und empfinde; ich weiß auch nicht, ob ich mit dem eben geschriebenen meine naivität ins kraut schießen lasse. aber wie schon gesagt: was man auch tut, man kann es nur aufs gerate wohl! anlegen, garantien gibt es nirgends, entsprechend risikoorientiert vorsichtig muss man handeln. aber eben handeln. leicht gesagt alles, leicht gesagt. erst wenn der autor mit seiner art zu leben dafür einsteht, gewinnen die worte gewicht.

in uns allen sind viel mehr möglichkeiten angelegt, als es, nicht zuletzt auch uns jeweils einzelnem selber erscheint; es kommt auf die menschen an, denen wir begegnen, und den mut, die möglichkeiten wahrzunehmen, die sich an diese begegnungen knüpfen.

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