abends ein polizeiruf aus dem jahr 1985, der in gewisser weise untergründig die konflikte anspricht, die sich aus dem aufeinandertreffen eines polyamoren arrangements und traditioneller moralvorstellungen ergeben; einmal mehr die beobachtung, dass in den polizeirufen der ddr lebenswirklichkeiten geschildert wurden, die weder mit dem alltag der bevölkerung noch offenbar mit der ideologie des arbeiter- und bauernstaates übereinstimmten. es mag sein, dass man sie so lesen kann, als entwickelte sich kriminalität nur in milieus, die noch resten von bürgerlichkeit anhingen und sei es in form verblendeter nachahmung – aber mit diesen szenerien wurden die sehnsüchte des publikums angeheizt, es wurde nicht im sinne der ideologie erzogen, sondern im gegenteil davon entrückt. die frage ist, ob die autoren unter vorspiegelung der ersten lesart den entscheidungsträgern die drehbücher unterjubelten – oder ob es mehr oder minder unbewusst geschah, sowohl von seiten der fernsehleute als auch bei den funktionären. dies lieferte letzten endes einen weiteren beleg für die these, dass unter der oberfläche der sozialistischen ideologie (klein-)bürgerlichkeit und kapitalismus fröhliche urständ feierten. das müsste alles genauer betrachtet werden, ich greife hier nur ins trübe und formuliere allenfalls binsenweisheiten. allein aus der flüchtigen beobachtung reime ich mir dieses und jenes zusammen, weder kenne ich die quellen tiefgründig genug, noch die literatur, um thesen zu bilden, die ich verteidigen könnte. – später noch der erste teil der bach-serie ebenfalls aus dem (jubiläums-)jahr 1985. oberflächlich die karrikierung des feudalismus mit seinen einfältigen aristokraten und rückgratlosen dienern; auf den zweiten blick aber die feier des nationalen erbes, welche – wohl eher unbewusst als beabsichtigt und eher mittelbar – die regionale identität in mitteldeutschland stärken half, die reste der bürgerlichkeit, die nachgeahmte bürgerlichkeit der studierten arbeiter- und bauernkinder, die widerspenstigkeit gegen den preußisch empfundenen sozialismus aus berlin: unser bach, unser dresden, weimar, köthen, … unsere tradition – oh täler weit, oh höhen, habe ein chor auf dem moskauer flughafen spontan gesungen, als er von christa wolf im herbst 1989 von der gewaltlosigkeit der leipziger demonstrationen erfuhr. indem die groteske situation bachs als untertan und damit letzten endes besitz des weimarer herzogs geschildert wird (es werden mit thomasius und pufendorf die beiden bedeutendsten zeitgenössischen rechtstheoretiker mitteldeutschlands zitiert), entlarvt die schilderung meines erachtens für jeden zuschauer aus dem jahr 1985, der es sehen wollte, die reisebeschränkung durch den sozialistischen staat und seine auffassung von staatsbürgerschaft, die an den verspotteten kasernenhof des soldatenkönigs erinnert, wo (heimliche) ausreise mit fahnenflucht gleichgesetzt wurde. die kontinuität des untertanenverhältnisses zur obrigkeit in mitteldeutschland zwischen dem frühen achtzehnten und dem späten zwanzigsten jahrhundert, die parallele zwischen den „spätfeudalistischen duodezfürsten“ und den parteifunktionären muss dem wachen teil des publikums klar vor augen gestanden haben.

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