geträumt, der wahlausgang sei sehr knapp und hänge von einigen wahlmännern ab, die zwar zur abstimmung für den demokraten gezwungen, aber in ihrem herzen republikaner seien, weshalb sich mccain und palin noch hoffnungen machten.

ich überlese diese zeilen und frage mich, welches bild sich jemand anderes von mir macht, der mich nicht kennt. ich sehe nach links und nach rechts und vermute dort irgendwo die projektionen dieser vorstellung.

obama gewinnt die wahl deutlich mit fast 350 wahlmännerstimmen zu nicht ganz 170 für mccain. aber die welt ist die gleiche geblieben. – die fähigkeit der amerikanischen gesellschaft zur selbsterneuerung ist erstaunlich. im modus der demokratie ist eine gesellschaft zuletzt immer in der lage, sich aufzuraffen. das problem liegt vielmehr in der verinnerlichung demokratischer normen. und da stecken die amerikaner, das muss man wohl feststellen, schlussendlich alle andern in die tasche.

und was lernt der sträunenden mitteleuropäer? aus ganz anderen zusammenhängen heraus gilt doch auch für uns: how far we have come. kein pole mehr, der seine heimat gegen einen deutschen verteidigen muss. kein deutscher mehr, der über den rhein geschickt wird mit dem bajonett in der hand: nach paris, nach paris. drei, bald vier generationen hier, die krieg am eigenen leib nicht mehr erfahren haben. ein blick in die arg düstere vergangenheit und ein weiterer in die welt ringsum zeigen auch uns, how far we have come. für uns noch mehr: e pluribus unum. ebensowenig ein geschenk, das vom himmel fiel, vielmehr hart erkämpft aus bitteren, den bittersten erfahrungen. bei allen herausforderungen, denen wir uns ausgesetzt sehen, macht der blick in die vergangenheit bewusst, wie glücklich wir uns schätzen dürfen. und zugleich zeigt er uns, wozu wir imstande sind. zumeist ernüchtert der blick in die geschichte, erst recht, je genauer er ausfällt, zuweilen beflügelt er auch. deshalb ist das bewusstsein für geschichte, für die gewordenheit der gegenwart, kein luxus, sondern eine notwenigkeit.

alle diese geifernden antiamerikanisten, die vom us-imperialismus und dergleichen reden, müssen sich fragen lassen, ob sie lieber in einer russischen oder neuerdings womöglich sogar: chinesischen satrapie leben wollen. – eben.

abends sah ich mir die reden obamas und mccains aus der vergangenen nacht an. die freude in den gesichtern der zuhörer obamas, die sie schön machen, lässt einen an einer allzu düsteren anthropologie zweifeln. wir sind aus krummem holz gemacht und zu allen schandtaten fähig, aber hin und wieder gelingt sie uns doch, eine selbstlose tat. gelegentlich sehen wir von uns selbst ab.

es kann einem aber auch bange werden, wenn man in die gesichter der zuhörer blickt: so hohe erwartungen. da sorgt der kluge mann vor und spricht von einem neuen pflichtgefühl und opfern, die zu bringen sein werden.

man lächelt als alter europäer, der sich lieber auf die lippen beißt, bevor er sagt: wir deutsche, über die selbstbeschreibung der amerikaner als greatest nation on earth. aber an tagen wie diesen staunt man doch und ist geneigt zuzustimmen. wiewohl man weiß, dass es den melting pot nicht gegeben hat und das die kehrseite des fortschrittsglaubens der machbarkeitswahn ist, auf einen tellerwäscher, der aufsteigt, dutzende gescheiterter existenzen kommen. bei aller brillanz und allem scharfsinn, bei all seiner rhethorischen begabung lese man zur ernüchterung nach einer obama-rede saul bellows mann in der schwebe oder arthur millers tod eines handlungsreisenden.

wie übersetzt man obamas yes we can? mit luther: … es soll uns doch gelingen. luther, nicht becher, wohlgemerkt.

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